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Brot und Rosen

Adele Jellinek

In Massachusetts, während eines Streiks, haben Arbeiterinnen eine Standarte umhergetragen, darauf stand: "Wir wollen Brot - aber auch Rosen!"

 

Trapp, trapp - ein dröhnender Schritt
Geht durch die Stadt. Wer wandert mit?
Dunkle Gestalten - ein stummer Zug -
Nur einer, der bunte Farben trug.
Eine Fahne wallt auf,
Schreit rot!
Steigt's nicht wie dröhnende Glocken auf?
Wir wollen Brot!

O Land, Land!
O Stadt, Stadt!
Nun ruhst du müde und matt
Wie eine welke Frau.
Hebe dein Haupt und schau!
Siehst du den schwelenden Brand?
Hörst du den dunklen Ruf?
Spürst du die starke Hand,
Die dir dein rastloses Leben schuf?

Nun ruht sie still.
Die Fahne schreit rot -
Wir wollen Brot!

Doch hinter den dunklen Männerreih'n -
Was zieht da her?
Was setzt den Fuß zu zweien und drei'n
So leicht einher?
Wie weiße Rosen
Das junge Gesicht.

In jungen Augen blaufunkelndes Licht ...
Das murmelt und summt wie Glocken vom Dom,
Bringt Farben in diesen dunklen Strom.
Das zieht zuhauf,
Das wogt hin und her,
Als sprängen plötzlich die Wellchen auf
Im stillen Meer!

Ihr Mädchen und Frau'n!
Ich hör' euren Schritt ...
Leicht dröhnt er über die Straßen.
Doch sagt - habt ihr keine Fahne mit?
Wo habt ihr die rotrote Fahne gelassen?
Ihr habt die Farben, ihr habt das Licht.

Habt ihr keine Stimme, die für euch spricht?
Da klingt's wie ein Lachen im Lärmen vorbei -
Und eine Standarte schreit rot, wallt auf!
Das ist uns're Stimme! Hebt sie hoch, hebt sie
Was steht
Was ruft so
Was klingt wie ein Schrei im Lärmen und
Wir wollen Brot!
Wir wollen Brot!
Aber wir wollen auch Rosen!

 

(Aus: Arbeiter-Zeitung, Nr. 43, 13. 2. 1927)

 

 

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