Opfer der NS-Militärjustiz
Franz Reinisch war der einzige
Priester im Deutschen Reich, der wegen Verweigerung des Fahneneids hingerichtet wurde.
Foto: DÖW
Am 1. 2. 1903 in Feldkirch (Vorarlberg) geboren, wuchs Reinisch in Tirol auf; er wurde 1928 zum Priester geweiht und trat in den Orden der Pallottiner ein. Als NS-Gegner bekannt, wurde er 1940 mit einem Predigt- und Redeverbot für das gesamte Deutsche Reich belegt.
Nach seiner Einberufung zur Sanitäts-Ersatz-Abteilung 13 in Bad Kissingen im April 1942 meldete er sich dort verspätet und erklärte, dass er "mit dem Gestellungsbefehl nicht einverstanden sei. [...] Er achte und ehre die deutsche Wehrmacht, bedaure aber, dass sie von der NSDAP missbraucht werde. Er liebe das deutsche Volk, besonders seine Heimat Tirol, darum sehe er sich gezwungen, gegen den Nationalsozialismus in der Heimat zu kämpfen bis zur Lebenshingabe." (Anklageverfügung des Reichskriegsgerichts, 4. 6. 1942)
Reinisch wurde in das Wehrmachtgefängnis nach Berlin-Tegel überstellt. In seinen Aufzeichnungen während der Haft vermerkte er am 17. 7. 1942:
"Als Österreicher betrachte ich die Besetzung Österreichs am 11. 3. 38 als einen Akt der Gewalt und nicht des Rechts. [...] Und angenommen, ich würde die Regierung anerkennen, in punkte Annexion, so kann ich noch lange nicht den Treueid leisten, weil zu schwere Vorbehalte dabei gemacht werden müssten. Z. B. Nicht-Annahme: der NS-Weltanschauung, der naturwidrigen Gesetze, z. B. Mord, Beseitigung der Geistesschwachen, Sterilisation, Schulgesetz etc.
Und ich bin nicht im Gehorsam verpflichtet, solche schwere Vorbehalte machen zu müssen. Darum lieber Notwehr und Verweigerung des Treueides. Hier Christus - dort Belial!"
Reinisch wurde am 7. 7. 1942 vom Reichskriegsgericht wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tod verurteilt: "Der Angeklagte verharrt trotz aller Belehrungen auf seinem Standpunkt. Aus einer persönlichen Einstellung heraus lehnt er es ab, dem deutschen Volk in seinem Daseinskampf die Treue zu halten. Er setzt sich daher bewusst in Gegensatz nicht nur zu Volk und Staat, sondern übrigens sogar auch zu seinen kirchlichen Oberen."
Tatsächlich konnte Reinisch, der am 21. 8. 1942 in Brandenburg-Görden hingerichtet wurde, nicht mit der Unterstützung der römisch-katholischen Kirche rechnen. Letztere war bemüht, ihre legale Existenz im NS-Staat nicht aufs Spiel zu setzen; hinzu gesellten sich Vorstellungen über einen "gerechten Krieg" (insbesondere gegen den Bolschewismus) und über die Gehorsamspflicht gegenüber dem Staat. Erst im II. Vatikanum (1962-1965) sollte Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Grundrecht anerkannt werden. Noch in einer 1972 im ZDF ausgestrahlten Fernsehdokumentation (Priester auf dem Schafott) beurteilte der ehemalige Vorgesetzte Reinischs, Provinzial Pater Josef Frank, dessen Verhalten ambivalent:
"Er [Reinisch] wird wohl als subjektiver Märtyrer betrachtet. Objektiv wird es etwas schwieriger sein. Also, subjektiv betrachte ich ihn auch als Märtyrer, weil er tatsächlich zutiefst aus religiösen Gründen den Tod auf sich genommen hat. Objektiv wird es wohl etwas schwierig sein, weil doch die Umstände derart sind, dass man eigentlich sagen könnte, es wäre wohl vollkommener gewesen, wenn er den Fahneneid geleistet hätte - objektiv betrachtet."
Die innerkirchliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt sich auch daran, dass für Reinisch derzeit ein Seligsprechungsprozess im Gange ist. Bereits 2007 wurde mit Franz Jägerstätter (1907-1943) der wohl bekannteste österreichische Kriegsdienstverweigerer seliggesprochen.