Der Diplomat Josef Schöner beschrieb in seinen Tagebuchaufzeichnungen die Ungeduld von Teilen der Wiener Bevölkerung, die den Beginn der Verfolgung von NS-Verbrechen schon in den ersten Tagen nach der Befreiung erwarteten:
"... Die Stimmung in der Bevölkerung ist in dieser Frage derzeit nicht gut, alles ist bisher enttäuscht, daß gegen die Nazis von staatswegen noch nichts geschehen ist ..."
Josef Schöner, Wiener Tagebuch 1944/1945 (Böhlau 1992), Eintrag vom 5. Mai 1945
Die gesetzliche Grundlage für die Ahndung von NS-Verbrechen in Österreich bildeten das "Verbotsgesetz" vom 8. Mai 1945 – wenige Stunden vor der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht – und das "Kriegsverbrechergesetz" vom 26. Juni 1945. Nach zwei Jahren wurde das Verbotsgesetz als "Nationalsozialistengesetz 1947" in geänderter Fassung wiederverlautbart.
Das Verbotsgesetz regelte auch die Tätigkeit der neuen "Volksgerichte". Diese urteilten in erster und einziger Instanz. Nur der Präsident des Obersten Gerichtshofs konnte Urteile aufheben.
Neben Verbots- und Kriegsverbrechergesetz wandten die Volksgerichte auch das österreichische Strafgesetz von 1852 und das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (als "Recht zur Tatzeit") an.
Dr. Josef Gerö (1896–1954), Staatsanwalt und Jurist im Justizministerium des Ständestaates, Häftling in den KZ Dachau und Buchenwald und nach der Befreiung parteiloser Justizstaatssekretär (Justizminister) in der Provisorischen Regierung, war die treibende Kraft bei der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Das Kriegsverbrechergesetz
Staatsgesetzblatt 1945/32
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Einige der neuen gesetzlichen Bestimmungen waren rückwirkend. So wurden Denunziationen bei der Gestapo nachträglich unter Strafe gestellt (§ 7 KVG). Auch "Schreibtischtäter" sollten zur Verantwortung gezogen werden, beispielsweise die Organisatoren der Deportation der jüdischen Bevölkerung. Dieser Straftatbestand wurde am 18. Oktober 1945 nachträglich als § 5a in das Kriegsverbrechergesetz aufgenommen.
Verbotsgesetz 1945
§ 10 – Wer in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 nach Vollendung des 18. Lebensjahres jemals der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände [...] angehört hat oder wegen Betätigung für die nationalsozialistische Bewegung von der NSDAP als "Altparteigenosse" oder als "Alter Kämpfer" anerkannt worden ist ("Illegaler"), hat sich des Verbrechens des Hochverrates im Sinne des § 58 des Strafgesetzes schuldig gemacht [...]
§ 11 – [...] hat ein "Illegaler" in Verbindung mit seiner Betätigung für die NSDAP oder einen ihrer Wehrverbände Handlungen aus besonders verwerflicher Gesinnung, besonders schimpfliche Handlungen oder Handlungen, die den Gesetzen der Menschlichkeit gröblich widersprechen, begangen, so wird er mit schwerem Kerker von zehn bis zwanzig Jahren und dem Verfall des gesamten Vermögens bestraft [...]