Antonia Schlesinger, Eva Schlesinger: Da wir uns sonst nichts zuschulden kommen ließen ...
Antonia Schlesinger, geboren am 11. Februar 1905
Eva Schlesinger, geboren am 15. April 1927
Deportation nach Opole: 26. Februar 1941
1938 lebten Antonia und Viktor Schlesinger gemeinsam mit Tochter Eva in der städtischen Wohnhausanlage Schöffelgasse 69 (Stiege 3, Tür 1) in Wien-Währing. Im Zuge der Kündigungsaktion der nationalsozialistischen Wiener Stadtverwaltung gegen jüdische MieterInnen von Gemeindewohnungen (rund 2000 Kündigungsverfahren) wurde auch dem Ehepaar Schlesinger die Wohnung gekündigt.
Viktor Schlesinger (geboren am 22. November 1898, Chauffeur) suchte am 11. Juli 1938 bei der Wohnhäuserverwaltung der Stadt Wien um eine Verlängerung der Kündigungsfrist an:
"Ich bin schon lange arbeitslos und beziehe an Unterstützung RM 10,50, von welchem Betrag ich selbstverständlich für so außertourliche Angelegenheiten wie Übersiedlung und dergleichen nichts erübrigen kann, da ein solcher Betrag nicht einmal zum Leben reicht.
Sechs Jahre bin ich nun Gemeinde-Mieter und habe bis heute, obwohl es mir oft sehr schwer gefallen ist, meinen Zins immer pünktlich erlegt. Da wir uns sonst nichts zuschulden kommen ließen und ich außerdem Frontkämpfer bin (2-mal ital. Front, 10 Monate ital. Kriegsgefangenschaft), so hoffe ich, dass meine Bitte ein geneigtes Ohr finden wird und das löbl.[iche] Wohnungsamt es nicht dazukommen lassen wird, mich mit meiner Familie obdachlos zu machen.
Indem ich auf die Güte und Gerechtigkeit der löbl. Behörde hoffe, zeichne ich ergebenst
Hochachtungsvoll, Viktor Schlesinger"
Die Familie wurde am 13. September 1938 delogiert, im Formular der Magistratsabteilung 21 ist festgehalten:
"Schlesinger ist mittellos, es konnte daher für die Schäden nichts hereingebracht werden"
Viktor Schlesinger wurde am 20. Oktober 1939 nach Nisko (Polen) deportiert. Er überlebte in der Sowjetunion und kehrte nach 1945 nach Österreich zurück. Er starb am 13. Jänner 1966.
Antonia und Eva Schlesinger - letzte Adresse: Wien 2., Taborstraße 61 - wurden am 26. Februar 1941 von Wien nach Opole deportiert. Weitere Nachrichten fehlen.
Literatur:
Herbert Exenberger / Johann Koß / Brigitte Ungar-Klein, Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus den Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938-1939, Wien 1996.
Für diese Publikation arbeiteten die AutorInnen Akten der Magistratsabteilung 52 auf.