Hermine Schönfeld, Charlotte Schönfeld, Kurt Schönfeld: Eiskalt, kein Essen, keine Verdienstmöglichkeiten, kein Licht
Hermine Schönfeld, geboren am 25. Mai 1895
Charlotte Schönfeld, geboren am 16. Juni 1922
Kurt Schönfeld, geboren am 30. Mai 1925
Deportation nach Opole: 15. Februar 1941
Charlotte und Kurt Schönfeld, beide in Kirchberg am Wagram (NÖ) geboren, wohnten mit ihrer Mutter Hermine Schönfeld zuletzt in der Blumauergasse 20/11 im 2. Wiener Gemeindebezirk. Ihr Vater, der Händler Max Schönfeld, geboren am 9. August 1895, wurde am 25. Juni 1938 in das KZ Dachau eingewiesen und von dort am 23. September 1938 in das KZ Buchenwald überstellt. Er ist in einem Verzeichnis der wegen des Transports nach Nisko zu entlassenden jüdischen Häftlinge angeführt und wurde vermutlich 1939 aus Buchenwald entlassen.
Hermine, Charlotte und Kurt Schönfeld wurden am 15. Februar 1941 nach Opole deportiert. Dort verlieren sich ihre Spuren.
Noch unter dem Schock des ersten Eindrucks schrieb Charlotte Schönfeld vermutlich im Februar oder März 1941 an ihren Freund:
"Nach zweitägiger Fahrt sind wir endlich in einem Drecknest angekommen. Hier ist es eiskalt, kein Essen, keine Verdienstmöglichkeiten, kein Licht, also einfach furchtbar. [...] Wir schlafen hier auf einem Dachboden auf Stroh, also mit einem Wort, die Castellezg. [Sammellager in der Castellezgasse, Wien-Leopoldstadt] war ein Paradies. Wir haben schon Kurts Winterrock verkaufen müssen, da wir ohne Groschen Geld dastehen. [...]
Du hast keine Ahnung, wie ich mich nach Dir sehne u. wie oft ich an die schönen Stunden zurückdenke, manchmal glaube ich es kaum auszuhalten, besonders in den schlaflosen Nächten. Wie verbringst Du die Zeit? Machst Du viele Ausflüge? Gehst Du tanzen? Weißt, ich möchte dir noch viel schreiben, aber bei jedem Wort, was ich Dir schreibe, zerbricht mir das Herz!"
In einem weiteren erhalten gebliebenen Brief vom 26. Mai 1941 ist der allgegenwärtige Hunger das vorherrschende Thema:
"Lieber Rudi, gestern haben wir von Mama den Ledermantel verkauft, wir haben 200 Zloty eingenommen. Bei uns ist alles wahnsinnig teuer geworden. 1 Laib Brot 20 Zl. 1 kg Fleisch 10 Zl. 1 l Milch 3 Zl. 1 kg Kartoffel 1 Zl. 50 gr. 1 kg Speck 17 Zloty, also einfach nicht zum aushalten. Wenn man überhaupt etwas haben will, muß man sich um 5 Uhr früh aufstehen u. stundenlang anstellen. Es ist einfach nicht mehr auszuhalten. Die Leute schreien Hunger. Wir haben schon 4 Wochen keinen Bissen Brot. Wir essen tägl. Kartoffel, Kartoffel u. wieder Kartoffel. [...] Bei uns ist eine wahnsinnige Hitze u. man darf kein Wasser trinken, stell Dir vor, den Durst, den wir leiden. Die Leute sind voller Läuse u. Ungeziefer, einige Typhusfälle sind auch schon [...] Wenn wir ohne Frühstück aufstehen [müssen wir] bis zum Mittag mit hungerigem Magen rumgehen, dann bekommen wir die Suppe von der Ausspeisung, dann haben wir nichts bis zum Nachtmahl, dann bekommen wir Kartoffel u. mit hungerigem Magen gehen wir schlafen. Das ist unser ganzer Inhalt von unserem Leben."
In diesem Brief kommen auch Fluchtpläne Charlotte Schönfelds zur Sprache (die illegale Rückkehr nach Wien ist in mehreren Fällen dokumentiert, meist endete die Flucht allerdings mit neuerlicher Festnahme und Einreihung in den nächsten Deportationstransport). Bei dem in dieser Passage kurz erwähnten Ehepaar Menzel sind vemutlich Berta (geboren am 12. Juli 1896) und Walter (geboren am 9. März 1891) Menczel gemeint, die ebenfalls am 15. Februar 1941 nach Opole deportiert wurden.
"Ich möchte so gerne bei Dir sein. Hoffentlich wird es nicht lange dauern. Habe alle meine Sachen verkauft, um das Geld aufzubringen, um nach Wien zu gehen, ob es mir gelingen wird, das weiß [ich] nicht. Sollte es mir gelingen, dann bin ich in 5 Wochen bei Dir. Mama u. Kurt will [sic!] nicht mit. Ich habe von dem Ganzen satt [sic!] u. riskier alles, um nur zu Dir zu kommen. Von der Frau Menzel [richtig: Menczel] der Mann ist auch ins Lager gekommen. [...] Lieber Rudi, warum schreibst Du so wenig u. dann außerdem so sachlich? Na bald werde ich bei Dir sein, dann wird alles anders sein. Ich kann die Zeit nicht mehr erwarten, wo es schon einmal so weit sein wird."