logo
logo

Friedrich Neuer, Rosa Neuer, Helene Neuer, Clairy Neuer, Heinrich Neuer: "Die Nazi wird man einmal aufhängen"

 

Friedrich Neuer, geboren am 7. März 1895
Rosa Neuer, geboren am 9. September 1895
Helene Neuer, geboren am 17. August 1920
Clairy Neuer, geboren am 25. Dezember 1924
Heinrich Neuer, geboren am 20. Juni 1928

 

Deportation nach Maly Trostinec: 9. Juni 1942

 

 

"Die Deutschen sind noch nie so unterdrückt worden wie jetzt. Es wird aber bald anders werden. Die Nazi wird man einmal aufhängen und der Führer wird sonstwie enden, denn er hat die ganze Welt in Brand gesteckt." Diese Äußerung führte 1939 zu Friedrich Neuers Festnahme und seiner späteren Verurteilung wegen Vergehens nach dem "Heimtückegesetz".

 

Der in Mährisch-Ostrau (Ostrava) geborene Neuer war jüdischer Herkunft (sein Vater war Jude), gehörte aber keiner Konfession an. 1938 lebte er mit seiner Familie – seiner Frau Rosa und den Kindern Helene, Clairy und Heinrich – in der städtischen Wohnhausanlage Rabenhof (Baumgasse 37-41/21/8) im 3. Wiener Gemeindebezirk. Als die nationalsozialistische Wiener Stadtverwaltung Ende Juni 1938 rund 2000 Kündigungsverfahren gegen jüdische MieterInnen von Gemeindewohnungen anstrengte, wurde auch Friedrich Neuer die Wohnung per 31. Juli 1938 gekündigt. Die Familie räumte die Wohnung noch Ende Juli 1938, 1939 war sie in der Hörnesgasse 3 (ebenfalls in Wien-Landstraße) wohnhaft. Ursprünglich Vertreter, arbeitete Neuer im Herbst 1939 – gegen Naturalentlohnung – als Hilfskraft in einem Lebensmittelgeschäft.

 

Friedrich Neuer

Friedrich Neuer wurde am 15. November 1939 von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich erfasst.
Foto: Wiener Stadt- und Landesarchiv

 

Am 10. November 1939 wurde Friedrich Neuer festgenommen. Bei der Verhandlung vor dem Landgericht Wien als Sondergericht am 2. Juli 1940 wurde ihm vorgeworfen, an seinem Arbeitsplatz im Kontakt mit den Kunden – hauptsächlich Arbeitern des städtischen Elektrizitätswerks Wien-Simmering – "eine unentwegte Hetze gegen den Nationalsozialismus" betrieben zu haben. Nähere Angaben konnte das Gericht allerdings nicht machen, da sich "diesbezüglich keine Anzeiger fanden". Zum Verhängnis wurde Neuer vermutlich ein Gespräch mit Marie (Maria) Damisch, deren Mann Franz Damisch Ingenieur und Betriebsluftschutzleiter des Simmeringer Elektrizitätswerks war; beide galten als "nationalsozialistisch eingestellt" (als Zeitpunkt dieser Unterhaltung wird im Urteil irrtümlich der 17. November 1939 angegeben – zu dieser Zeit war Neuer bereits in Haft).

 

Friedrich Neuer wurde wegen Vergehens nach dem "Heimtückegesetz" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt:

 

"Seiner politischen Überzeugung nach ist Friedrich Neuer auch heute noch revolutionärer Sozialist und ein unentwegter Gegner des Nationalsozialismus und des neuen Reiches. Er selbst räumt ein, dass er immer wieder bestrebt war, durch Mundpropaganda alle Gegner der NSDAP mit Ausnahme der Kommunisten, mochte es sich nun um Legitimisten, Sozialdemokraten oder um andere Parteigänger handeln, in einem dem neuen Staate und der Partei abträglichen Sinne zu beeinflussen. Es haben [sic!] ihm dabei vorgeschwebt, durch diese intensive Propaganda den Nationalsozialismus zu schwächen und zur Ausschreibung allgemeiner Wahlen unter Zulassung anderer politischer Parteien zu zwingen. Wenn auch dieses Verhalten noch nicht ausreichte, eine verbrecherische Vorbereitung zum Hochverrat zu begründen und der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof eine in seine Zuständigkeit fallende Straftat nicht als vorliegend erachten konnte, so kennzeichnet doch diese Einstellung und Tätigkeit den Angeklagten als ausgeprägten Staatsfeind. Der Angeklagte bietet das Erscheinungsbild eines schwächlichen Menschen mit semitischen Gesichtszügen und zeigt eine überdurchschnittliche Intelligenz und Bildung."

 

Am 9. Juni 1942 wurden Friedrich Neuer und seine Familie, zuletzt in der Seegasse in Wien-Alsergrund wohnhaft, nach Maly Trostinec deportiert und dort nach der Ankunft am 15. Juni ermordet.

 

 

Neuers Arbeitgeberin, die Geschäftsinhaberin Marie Hofhanzl (Hofhansel), wurde 1939 ebenfalls von der Gestapo festgenommen; sie wurde nach acht Tagen wieder freigelassen.
Nach der Befreiung wurden Marie und Franz Damisch wegen Denunziation angeklagt, aber am 2. April 1948 vom Landesgericht Wien als Volksgericht freigesprochen. Das Gericht folgte der Verantwortung der beiden Angeklagten, die aussagten, die Gestapo habe über die Äußerungen Neuers bereits Bescheid gewusst, sie wären ohne eigenes Zutun einvernommen worden. Maria Damisch habe dabei "wahrheitsgemäss aber belastend ausgesagt". (LG Wien 12i Vr 2201/47)

 

 

Literatur:
Herbert Exenberger / Johann Koß / Brigitte Ungar-Klein, Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus den Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938–1939, Wien 1996.
Für diese Publikation arbeiteten die AutorInnen Akten der Magistratsabteilung 52 auf.

 

 

>> weiter

<< zurück: Übersicht Maly Trostinec

 

Downloads

(DÖW, DB "Gemeindebauten")
(1.006,1 KB)

2. 7. 1940 (DÖW 14.137)
(1,0 MB)

9. 6. 1942 (Auszug)
(547,7 KB)
Unterstützt von: