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Paula Laufer: Vermisstes Permit

 

Paula Laufer, geboren am 28. Mai 1908

 

Deportation nach Maly Trostinec: 14. September 1942

 

Paula Laufer 

 

Paula Laufer

 

 

 

Der Angriff NS-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 schränkte die Fluchtmöglichkeiten der österreichischen Juden und Jüdinnen weiter ein. Die Einreiseerlaubnis nach Neuseeland, über die die Wiener Modistin Paula Laufer am 18. August 1939 telegrafisch informiert worden war, war wenige Wochen später nicht mehr gültig.

 

Laufers Bruder Moritz Adolf Laufer (Jg. 1904), ihre Schwester Josefine Bauer (Jg. 1900) und deren Ehemann Jakob (Jenö) Bauer (Jg. 1892) bemühten sich aus dem Exil in Shanghai um die Ausreise Paula Laufers. Shanghai wurde nach der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland zum Fluchtort für etwa 5500 bis 6500 österreichische Juden und Jüdinnen (Jonny Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung Österreichs 1938-1945, Wien 1999, S. 68, Fn. 178). Für die Einreise in die exterritoriale Internationale Zone der von japanischen Truppen besetzten chinesischen Hafenstadt war kein Visum nötig, vom August 1939 bis Dezember 1941 bestand eine Einreisemöglichkeit bei Hinterlegung eines Geldbetrags, Vorweisung eines Arbeitsvertrags oder einer Anforderung von in Shanghai lebenden Angehörigen. Ab Februar 1943 wurden staatenlose – fast ausschließlich jüdische – Flüchtlinge im Stadtteil Hongkou interniert.

 

Brief

 

 

Paula Laufer an ihre
Schwester Josefine Bauer, 17. 5. 1941

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Ein Brief Paula Laufers an ihre Schwester Josefine, geschrieben am 17. Mai 1941 (mit einem Nachtrag vom 21. Mai), ist optimistisch: Sie hatte einen Partner – Arthur Ranzenhofer (geboren am 10. April 1899) – und hoffte, mit ihm gemeinsam ausreisen zu können. Von der Kultusgemeinde hatte sie erfahren, dass ihr Permit (für die Einreise in die Internationale Niederlassung Shanghais) "unterwegs" sei. Wie sich allerdings bald herausstellen sollte, wurde das Dokument nach Shanghai zurückgeschickt. Am 13. Juni 1941 schrieb die Auslandbriefprüfstelle Berlin unter dem Betreff "Vermißtes Permit":

 

"Das Permit ist sr. Zt. von hier an die Ausstellungsbehörde nach Shanghai zurückgeschickt worden, weil es ohne den dazugehörigen Briefumschlag vorgelegt wurde und der Sachbearbeiter deshalb nicht feststellen konnte, daß es für Sie bestimmt war. Wer das bedauerliche Versehen verschuldet hat, konnte nicht ermittelt werden."

 

Ab Oktober 1941 war eine legale Ausreise nicht mehr möglich: Mit Erlass des Reichssicherheitshauptamts wurde die Auswanderung von Juden und Jüdinnen "für die Dauer des Krieges" verboten. Paula Laufer und Arthur Ranzenhofer versuchten deshalb im Februar 1942 bei Deutsch-Jahrndorf illegal über die Grenze nach Ungarn zu kommen und bestachen zu diesem Zweck einen Schutzpolizisten. Beide wurden vom Grenzpolizeikommissariat Eisenstadt festgenommen.

 

In diesem Zusammenhang verhaftet wurden im März 1942 auch Josef Pollak (geboren am 8. Oktober 1901) als Mittelsmann – er war in der Folge in Theresienstadt, Auschwitz und Dachau in Haft und kam am 27. Februar 1945 in Dachau um – sowie der Hauptwachtmeister der Schutzpolizei Ferdinand Gürth (Jg. 1903, er wurde 1943 wegen Missbrauchs der Amtsgewalt zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt und war vom Juli 1942 bis Mai 1945 im KZ Mauthausen inhaftiert).

 

Paula Laufer, zuletzt ebenso wie Arthur Ranzenhofer in der Oberen Augartenstraße 2/17 in Wien-Leopoldstadt wohnhaft, wurde am 14. September 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort nach der Ankunft am 18. September 1942 ermordet.

 

Arthur Ranzenhofer war ebenfalls zur Deportation in das Sammellager überstellt, aber von der Zentralstelle für jüdische Auswanderung irrtümlich entlassen worden. Er wurde am 4. November 1942 in Wien neuerlich verhaftet, am 31. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort am 8. April 1943 ermordet.

 

Rot-Kreuz-Anfrage

 

 

Rot-Kreuz-Anfrage Jakob Bauer (Shanghai) an Paula Laufer, 24. Juni 1942

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"Hoffe dich gesund. Bist du verheiratet?", fragte Jakob Bauer am 24. Juni 1942 seine Schwägerin via Rot-Kreuz-Anfrage. Die Antwort folgte erst am 18. Oktober, also nach der Deportation Paula Laufers:

 

"Paula leider am 14. Sept. verreißt [sic!]. Schacherl ebenfalls. Paula läßt Alle herzlichst grüßen. Bitte grüßen Sie meine Verwandten. Käthe ist gesund."

 

Mit "Schacherl" ist vermutlich Emilie Schacherl (geb. 1. Juni 1899), zuletzt wohnhaft in der Novaragasse 32/30 im zweiten Wiener Gemeindebezirk, gemeint. Auch sie wurde am 14. September 1942 von Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort nach der Ankunft ermordet. "Käthe" könnte Moritz Laufers Frau Käthe (Jg. 1906) sein. Die angesprochenen Verwandten in Shanghai waren vermutlich das Ehepaar Erna und Fritz Ranzenhofer (Jg. 1891) aus Hollabrunn und deren Sohn Hans (Jg. 1931).

 

Unterzeichnet war diese Antwort mit "Ranzenhofer" – möglicherweise handelte es sich um Arthur Ranzenhofer, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in Freiheit befand, denn eine weitere Anfrage von Josefine Bauer vom 18. August 1943 ist an ihn adressiert. Die darauf folgende Rückmeldung vom 27. Juni 1944 – "Freue mich über Ihre Post. Von Paula leider keine Nachricht. Erbitte direkte Post von meinen Verwandten. Bleibt alle weiter gesund." – ist ebenfalls mit "Ranzenhofer" gezeichnet. Arthur Ranzenhofer freilich war zu diesem Zeitpunkt bereits tot, sein Bruder Alois (Jg. 1906) hielt sich laut eigenen Angaben vom Frühjahr 1943 bis zur Befreiung 1945 versteckt in Niederösterreich auf (DÖW 20.100/9278); als Absenderin käme auch Alois Ranzenhofers nichtjüdische Ehefrau Margarete (Jg. 1910) in Betracht.

 

 

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Downloads

18. 8. 1939 (DÖW 16.230)
(129,6 KB)

15. 1. 1940 (DÖW 16.230)
(144,8 KB)

12. 1. 1941 (DÖW 16.230, mit Transkript)
(615,6 KB)

17. 5. 1941, Nachtrag 21. 5. 1941 (DÖW 16.230, mit Transkript)
(691,7 KB)

28. 4. 1941 (DÖW 16.230)
(183,3 KB)

13. 6. 1941 (DÖW 16.230)
(107,3 KB)

Nr. 6, 13.-14. 2. 1942 (Auszug)
(113,2 KB)

14. 9. 1942 (Auszug)
(1,3 MB)

24. 6. 1942 (DÖW 16.230)
(367,3 KB)

18. 8. 1943 (DÖW 16.230)
(327,0 KB)

o. D. (1946, DÖW 16.230)
(230,1 KB)
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