Eine Rezension von Andreas Peham
"Die Juden sind der Abschaum der menschlichen Rasse."
(Saddam Hussein im irakischen Radio, 9. 6. 2001)
Jörg Haider hat die Eindrücke von seinen Solidaritätsbesuchen im Irak zu Papier gebracht: Unter dem Titel "Zu Gast bei Saddam. Im 'Reich des Bösen'" erschien Ende März 2003 beim Ibera Verlag ein gut zweihundertseitiges Bekenntnisbuch des Kärntner Landeshauptmannes. Dieses erschöpft sich weitgehend in einer Reproduktion der irakischen Regierungspropaganda und ist durchsetzt von unhinterfragter Faszination gegenüber dem "Orient". Der kritischen LeserInnenschaft erschließt sich darüber hinaus, worin die weltanschauliche Grundlage von Haiders Sympathiebekundungen gegenüber dem arabischen Nationalismus und dessen tragenden Eliten besteht, nämlich in einem radikalen "Antizionismus", der sich gegen den Staat der Juden und Jüdinnen richtet.
Während sich Haider über den verbrecherischen Charakter des Baath-Regimes weitgehend ausschweigt, weiß er von "Tausenden von unschuldigen Zivilisten, die auf dem Altar der imperialistischen Ölgelüste der USA geopfert werden" (S. 10), zu berichten. Nicht Saddams Schreckensherrschaft, auf deren Konto die Ermordung von rund fünf Prozent der irakischen Bevölkerung geht, sondern die UN-Sanktionen würden einen "Völkermord" (S. 17) bedeuten. Die zahlreichen Einladungen aus arabischen Ländern und dem Iran erklärt sich der "Araberfreund" (Haider über Haider) mit der Tatsache, dass auch Österreich (nach der Aufnahme der FPÖ in die Regierung) vom "internationalen Bannstrahl" (S. 18) getroffen worden sei. Wie Gaddafi, Saddam Hussein u. a. ist ja auch er ein Opfer der "USA und anderer Staaten in ihrem Naheverhältnis". (Ebenda)
Wie sehr das gemeinsame Feindbild verbindet, zeigt sich auch in der Art und Weise, wie Haider über seine arabischen Gesprächspartner schreibt. Den irakischen Vizepremier Tarek Aziz bezeichnet er als "einen gebildeten und durchaus angenehmen Gesprächspartner[s]". (S. 13) An Gaddafi, der Haider schon vor Jahren als Verbündeten im Kampf gegen die, wie er sagte, "zionistische Herrschaft" begrüßte, imponiert ihm das "Bekenntnis zu Kultur, Volk und einer bestimmten Lebensweise, die Denken und Handeln prägen und die Errungenschaften der modernen Welt vergessen lässt". (S. 19) Hier ist bereits eine zentrale weltanschauliche Gemeinsamkeit von arabischen und völkischen Nationalisten angesprochen, nämlich die kultische Verehrung vormoderner Gemeinschaften. Diese werden hier wie dort als quasi natürliche und in Blut und Boden wurzelnde Entitäten dargestellt und in Opposition zur bürgerlichen Vergesellschaftung gebracht.
Über den syrischen Verteidigungsminister Mustafa Tlas, Verfasser der antisemitischen Hetzschrift "Die Matzen von Zion", weiß Haider zu berichten, dass er "ein äußerst träger, humorvoller und würdevoller Mann", "eine richtige Größe für sich" (S. 129) sei. Wenig überraschend hat sich Tlas in erster Linie über die "verbrecherische[n] Politik Israels" (S. 130) ausgelassen. Bezeichnend auch folgende Episode: "Dann kam etwas völlig Unerwartetes. Er [Tlas] ersuchte mich, bei einem Bild [...] genauer hinzuschauen. Seine Frau lächelte schelmisch, als sie mein ratloses Gesicht beim Anblick dieses Bildes bemerkte. Ich verstand nicht, worum es dabei ging. Erst als ich genau hinsah, erkannte ich den Grund. Das Bild war von Adolf Hitler gezeichnet und von ihm signiert. Tlas erzählte mir, daß Londoner Galeristen ihm viel Geld für dieses Werk geboten hätten, er sich aber um keinen Preis von diesem Werk trennen könnte." (S. 131 f.)
Geradezu ins Schwärmen gerät Haider, sobald die Rede von seinem "Freund Naji Sabri" (S. 41), dem irakischen Außenminister, ist: "Oft kamen wir regelrecht ins Philosophieren über Themen wie Identität und Unterschied, Einheit und Vielfalt. Naji schilderte dabei immer wieder den ideologischen Hintergrund der Baath-Partei, die sich selbst als Bündnis von verschiedenen nationalen Strömungen interpretiert, der die Eigenständigkeit ihrer Völker das zentrale Anliegen ist." (S. 42) Mal abgesehen vom Zynismus, der aus diesen Zeilen angesichts des Leidens der irakischen Juden und Jüdinnen, KurdInnen und SchiitInnen spricht, der "ideologische Hintergrund der Baath-Partei" ist Haider deswegen so vertraut und sympathisch, weil es auch sein eigener ist. Tatsächlich stellt der Baathismus (wie auch Gaddafis Lehre vom "Dritten Weg") eine regionalspezifische Artikulationsform des europäischen Rechtsextremismus dar. Nicht umsonst stand der Nationalsozialismus an der Wiege des panarabischen Befreiungsnationalismus, sehen deutsche Neonazis heute im Irak eine "orientalische[n] Variante des nationalsozialistischen Volksstaates", so Axel Reitz vom Kampfbund Deutscher Sozialisten. Umgekehrt betonte etwa Tarek Aziz gegenüber Haider immer wieder "die wohlwollende Einschätzung des Irak, was das zunehmende Erstarken von nationalen politischen Kräften in Europa und auch in Österreich" (S. 63) betreffe.
Als Schlüsselstellen im Buch erscheinen jene Abschnitte, in denen Haider den Antisemitismus seiner arabischen Gesprächspartner einfach reproduziert: "In ihrem [der Irakis] Verständnis war bereits das alte Babylon Widersacher und Feind der Juden, die heute, verkörpert durch Israel, den Irak als Inbegriff des Arabertums vernichten wollten." (S. 56) An anderer Stelle berichtet er wieder über ein Gespräch mit Tarek Aziz: "Immerhin wäre der Irak den USA nicht allein wegen seiner Ölvorräte ein Dorn im Auge, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß sein Land es als einziges wagte, der israelischen Aggression die Stirn zu bieten und die Palästinenser zu unterstützen. [...] Dabei machte er klar, daß er das Problem in den USA nicht allein auf seiten der Republikaner sah. Denn auch die Demokraten, die sehr stark von jüdischen Kreisen beeinflusst seien, unterstützen in der Irak-Frage voll und ganz den Kurs von Bush junior." (S. 61 f.)
Es ist dieser spezifische Antisemitismus, der die schiefe Wahrnehmung des Nah-Ost-Konfliktes determiniert. So ist die Rede von der "mit Deckung der USA unverhohlen betriebenen israelischen Aggressionspolitik im Nahen Osten" (S. 62). Auch seien nicht Giftgasmörder, Despoten oder islamistische Selbstmordattentäter, sondern die USA und Israel "im wesentlichen dafür verantwortlich, daß sich die Welt insgesamt in einer angespannten und unsicheren Lage befände". (Ebenda)
Schließlich kommt Haider auf seine Treffen mit Saddam, der Hitlers "Mein Kampf" einmal als "das wichtigste in unserem Jahrhundert geschriebene Buch" bezeichnet hat, zu reden. Bei diesen schlug ihm von Anfang an "durchaus eine Atmosphäre der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit entgegen" (S. 71). Auch hier ist es die antisemitische Weltanschauung, die reproduziert wird: "Saddam Hussein kam umgehend zur Analyse der politischen Situation im arabischen Raum. Im wesentlichen deckten sich seine Ausführungen bezüglich der Einschätzung speziell der Rolle Israels im Zusammenspiel mit den USA mit jenen seines Vizepremiers Aziz. Allerdings - und das kam bei ihm besonders stark hervor - betonte er immer wieder seine politische Vision von der Einigung der arabischen Nation, um deren elementare Interessen gegen die 'Zionisten', wie Israel in all diesen Gesprächen immer wieder genannt wurde, mit entsprechendem Nachdruck zu verteidigen. Als Vorkämpfer dieser Idee der arabischen Einigung hätte er sich ganz besonders der Sache der Palästinenser und ihres Kampfes um Eigenstaatlichkeit angenommen. Das wäre auch der Hintergrund dafür, daß er den Familien der Selbstmordattentäter, die ja bei israelischen Vergeltungsaktionen mit einem Schlag ihres gesamten Hab und Gutes beraubt würden, finanzielle Unterstützung zukommen ließe." (S. 71) Haider fiel auf, dass Saddam "immer dann, wenn es in unserem Gespräch um die Palästinenserfrage ging, sehr aufgeweckt und emotionalisiert wirkte und es verstand, ausgesprochen konsequent zu argumentieren und die Dinge auf den Punkt zu bringen". (S. 72) Unumwunden räumt der Kärntner Landeshauptmann ein, "von der scharfen Logik und den klaren Argumentationslinien Saddam Husseins überrascht gewesen zu sein". (Ebenda) Lobende Worte also für jemanden, der Israel als "Zionistengebilde" zu bezeichnen pflegt und von einem judenreinen Palästina träumt. Aber Haider wird noch deutlicher, wenn er offen bekennt, dass er "in der Palästinenserfrage einer Meinung mit Saddam Hussein" (S. 77) ist.
Schließlich findet noch ein Gespräch mit Saddams berüchtigtem Sohn Udai Erwähnung: "Im Unterschied zu seinem Vater, hinter dessen Bulligkeit doch auch Freundlichkeit zum Vorschein kommt, zeigte sich Udai sehr bestimmend. Es war kaum möglich mit ihm einen Gedankenaustausch zu führen. Vielmehr nutzte er die Gelegenheit, in seine Ausführungen eine scharfe Abrechnung mit Israel vorzunehmen und seinen Respekt vor deutschen Tugenden zum Ausdruck zu bringen. Sie lägen, so meinte er, dem deutschen Volk im Blute und könnten daher auch von niemanden ausradiert werden. Weniger freundlich war seine Einschätzung gegenüber den Russen, die er im großen und ganzen für verloren hielt, weil die Politiker käufliche Marionetten jüdischer Finanzbosse wären, die in Wirklichkeit das Land regierten. Udai rechnete für ganz Europa mit einer baldigen Wiedererstarkung der nationalen Kräfte, die abseits ideologischer Kategorien zu einer allgemeinen nationalen Rückbesinnung führen würde. So martialisch und bestimmend sein Auftreten auch war, so erstaunte mich doch die Tiefgründigkeit seiner Sprache. [...] Er zeigte sich jedenfalls sehr belesen und ausgezeichnet über die aktuellen politischen Entwicklungen informiert."(S. 145 f.) Zu einem antisemitischen Paranoiker, der von den in Wahrheit herrschenden "jüdischen Finanzbossen" schwadroniert, fällt Haider also bloß ein, dass er "belesen und ausgezeichnet über die aktuellen politischen Entwicklungen informiert" ist. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob Haiders Ausführungen tatsächlich bloß von Blindheit zeugen, oder ob sie nicht doch weltanschauliche Nähe ausdrücken.