Mit dem Rückgang der Covid-19-Infektionszahlen, der Aussetzung zahlreicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und dem Anbruch der wärmeren Jahreszeit hat die Corona-Protestbewegung, wie schon 2021, merkbar an Momentum verloren. Um sich Publikum, den Anschein von Relevanz und mutmaßlich auch Einnahmen zu sichern, sind Köpfe der Bewegung – wie Martin Rutter, maßgeblicher Organisator der sogenannten "MEGADEMOS" in Wien – auf der Suche nach neuen Themen. Nachdem u. a. der Versuch einer Besetzung der Kriegs- und Neutralitätsthematik sich als wenig zugkräftig erwies, gilt Rutters Fokus aktuell der Inflation.
Bei allem Themenhopping hält der ehemalige Kärntner Landtagsabgeordnete (Team Stronach, 2017 aus diesem ausgeschlossen) an einer übergeordneten Verschwörungsphantasie fest. Diese firmiert unter dem Label "Great Reset", das sich in seiner Aufladung durch rechtsextreme Medien und Influencer längst von seiner ursprünglichen Bedeutung (bzw. dem Inhalt des gleichnamigen Buches von Klaus Schwab) losgelöst hat. Inzwischen wird unter diesem Begriff die jüngste Auflage der ewigen Erzählung vom Masterplan einer kleinen Clique zur finalen Unterjochung der gesamten Menschheit verbreitet, in die unterschiedlichste – tatsächliche oder imaginierte – Entwicklungen eingepasst werden.
Mit dem "Great Reset" als Klammer bewegt Rutter sich auf seinen Online-Plattformen (Telegram-Kanal und Website) rastlos von einer Verschwörungsphantasie zur nächsten: von Chemtrails zu QAnon, von toxischem Pseudo-Saharasand ("Sie bringen uns, unsere Kinder und die Tiere nach und nach vorsätzlich um!!") zu "gesteuerter Massenmigration", von 9/11 zu angeblichem Wahlbetrug in Frankreich. Antisemitische Codes bemüht Rutter routinemäßig, wenn es etwa um Emmanuel Macron ("Ex-Rothschild Banker"), sonstige SpitzenpolitikerInnen ("Marionetten der Hochfinanz") oder George Soros ("Strippenzieher hinter der Migrationswelle" oder – in Übernahme einer Wochenblick-Schlagzeile – gar "[g]lobalistischer Weltenlenker") geht.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch konkret werden die Verbindungen zur extremen Rechten von Rutter gepflegt. So trat er Mitte April als Vortragender im "identitären" Zentrum in Eichkögl (Steiermark) auf oder gab Ende März dem rechtsextremen Heimatkurier ein Interview, in dem er den Coronaprotest als "Richtungskampf Globalismus versus Patriotismus" rahmte: ein "großer Teil des Widerstandes" habe verstanden, dass es nicht lediglich um die Ablehnung bestimmter "'Corona-Maßnahmen'" gehe, sondern "vor allem auch um den Widerstand gegen die Pläne des Great Reset".