Nach der "Rudolf Heß Demonstration" in Wunsiedl (Bayern) vom 21. August scheint in der deutsch-österreichischen Neonazi-Szene wieder mal der Haussegen etwas schief zu hängen. So empörte sich das Freie Infotelefon Norddeutschland (FIT) darüber, dass die "Ostmärker" ihre Grußworte zurückgezogen hätten, weil russische Neonazis auf der Demonstration das Wort ergreifen durften. Das sei ein "Fehler gewesen": "Waren es doch damals 100.000 Russen, die in der Wlassow-Armee mit dem deutschen Frontsoldaten gegen den Bolschewismus gekämpft haben."
Daraufhin meldeten sich "stellvertretend für Aktivisten und alte Kämpfer aus dem Raum Wien und Niederösterreich" Felix Budin und Alexander Behrend, vormalige Führungskader der neonazistischen Neuen Jugend Offensive und 2002 Ordner auf der Kundgebung gegen die "Wehrmachtsausstellung" in Wien, zu Wort. Die angesprochenen "Kameraden" hätten gar kein Recht gehabt, "für sämtliche Zusammenhänge des kämpferischen Deutschtums in Österreich zu sprechen". Behrend und Budin, beide immer noch in der Neonazi-Szene aktiv, halten fest, dass es "billig" sei, "die Vertreibungsverbrechen und Morde als Argument für den Ausschluss Gutwilliger heranzuziehen [...]. Denn würde man dieser Linie folgen, hätten Franzosen, Italiener, Belgier und viele andere auch nichts auf unseren Veranstaltungen zu suchen. Rudolf Heß dachte, sprach und lebte konsequent, dies dürfen wir wohl auch von denen verlangen, die sein Andenken hochhalten. Rudolf Heß opferte sein Leben auf dem Altar des Vaterlandes, nicht nur, um dem deutschen Volk zu helfen, sondern auch, um den europäischen Völkern das Überleben zu sichern. Als solch eindrucksvolle Person wird Rudolf Heß weltweit gesehen und verstanden, daher ist es nicht angebracht, Gutwillige vor den Kopf zu stoßen. Wir halten jedoch auch fest, dass wir selbstverständlich von berechtigten Territorialforderungen des deutschen Volks nicht abgehen werden und ein Verbrechen wie die Vertreibung auch weiterhin ein Verbrechen nennen werden."
In einer Antwort auf Budin und Behrend mokiert sich das FIT darüber, dass die beiden von Österreich und nicht von der "Ostmark" geschrieben haben. Wie überhaupt es "weh" getan hätte, "dass einige Ostmärker meinten, sie müssten auf ihren roten T-Hemden 'Österreich' stehen haben oder gar die Staatsflagge (20-fach) von Österreich zu zeigen. Man hat sich bereits damit abgefunden und die Alliierten haben das erreicht, was sie wollten - Kein einiges und starkes deutsches Volk mehr ..." Und das auf einer Demonstration im Andenken an den Hitler-Stellvertreter! Demgegenüber die deutschen Prinzipienreiter: "Rudolf Heß war derjenige, der sich mit aller Kraft dafür einsetzte, dass Österreich wieder dem deutschen Reich angeschlossen wird. Für ihn gab es kein Österreich und wo die Kameraden gerade im Sinne von Rudolf Heß sprechen wollen, wäre es wohl angebrachter gewesen, sie würden in ihren Schriften nicht das Wort 'Österreich' verwenden. Das tat Rudolf Heß auch nicht." Schließlich ist das FIT froh, dass Heß es "nicht mehr erleben [muss], dass seine südlichen Landsleute sich selber mit ihrem Schicksal abgefunden haben und sich 'Österreicher' nennen. Das hätte diesem Mann das Herz gebrochen ..."
Daraufhin meldete sich auch der Bund freier Jugend (BfJ) zu Wort. Dieser will es nicht auf sich sitzen lassen, dass es "sich bei Deutschen aus dem Süden, die sich 'Österreicher' nennen, um Prinzipienlose und Halbherzige [handle]". Darum erinnert der BfJ an das NS-Verbotsgesetz, das angeblich "jede Verwendung des Begriffes Ostmark ohne Ausnahme mit Kerker" bestrafen würde. Um die eigene missliche Lage zu verdeutlichen, fügte der BfJ eine "Liste jener, die sich zu den Opfern dieser Justiz zählen können", an: "Herbert Schweiger, Lisbeth Grolitsch, Dipl.-Ing. Wolfgang Fröhlich, Walter Ochensberger, Franz Radl, Robert Dürr, Gottfried Küssel, Dr. Bruno Haas, Dr. Hermann Plessl, Fritz Rebhandl, Gerd Honsik, Günter Reinthaler usw. und nicht zuletzt Kamerad Konrad Windisch, der wegen dem Satz 'Licht wird wieder werden' im 'freien' Österreich wegen 3 g verurteilt wurde, sind nur eine Auswahl der bekanntesten Namen." Vor diesem Hintergrund wirbt der BfJ für Verständnis: "Ganz egal, ob sich Kameraden aus Österreich als deutsche Österreicher oder Ostmärker sehen und bezeichnen: Sollten sie, nur um Leuten zu gefallen, die die skandalöse Gesetzeslage nicht richtig kennen oder beurteilen, in Messers Schneide laufen??"
Nachdem das DÖW die aktuelle Auseinandersetzung in der deutsch-österreichischen Neonazi-Szene öffentlich gemacht hatte, sandte der BfJ noch eine "abschließende" Stellungnahme zur "Grußwortdiskussion" aus. Darin beschwert man sich darüber, "dass das DÖW solche Diskussionen - welche im Grunde auf diese Art gar nicht geführt werden dürften! - händereibend beobachtet, um es in späteren gesinnungsinquisitorischen Prozessen gegen die genannten Personen und Gruppen als Totschlagargument einzusetzen". Der BfJ betont dann noch einmal, dass man nur vor dem Hintergrund des Verbotes nationalsozialistischer Wiederbetätigung von der Verwendung des Begriffes "Ostmark" Abstand nimmt: "Wer Ostmark schreibt oder sagt, kann angesichts dieser Tatsache nur einen Erfolg verzeichnen: Die beste Arbeit für den 'Verfassungsschutz' zu leisten. Besser und wertvoller, als es jeder Spitzel, Spalter, Provokateur jemals machen könnte."