Nach der Anfang Juni verkündeten Einstellung der Monatszeitschrift Aula scheint das – im Unterschied zu jener in den Genuss von Presseförderung kommende – Wochenblatt Zur Zeit das Erbe des Sprachrohrs des rechten Randes in der FPÖ anzutreten. In der Ausgabe 32-33 (S. 38 f.) wird etwa Wolfgang Caspart, Alter Herr des Wiener Corps Saxonia und ehemals führender Funktionär im Freiheitlichen Akademikerverband (FAV)[1], die Möglichkeit eingeräumt, "über die Notwendigkeit einer Konterrevolution" öffentlich zu sinnieren. Selten zuvor wurde im engsten Umfeld der FPÖ der Demokratie derart unverblümt der Kampf angesagt.
Begonnen hätte das demokratische Unheil mit den "gleichmacherischen Humanitätsvorstellung des 18. Jahrhunderts" – nun sieht der freiheitliche Akademiker offenbar die Zeit dafür gekommen, den revolutionären Schutt wegzuräumen. In Casparts "Konterrevolution" ersetzt die Volksgemeinschaftsideologie, zentrales Element jedes Rechtsextremismus, die "klassenkämpferischen Konflikttheorien". Abgeschafft werden sollen auch das "dekadente Gendermainstreaming" und die Fristenlösung, "Queer-Propaganda und Perversitäten" sollen verboten und bestraft werden. Schließlich sei eine "offene und natürliche Autorität [...] für ein reibungsloses Zusammenleben aufrichtiger und allen Versuchen vorzuziehen, dem Volk vorzugaukeln, es könne mitreden". Mit den modernen Demokratien sei ein "grundlegender Wandel des Rechtsbewusstseins zu Gunsten des Ochlos (Pöbels)" erfolgt. Um dessen "Diktatur" aufzuhalten, bedürfe es wieder einer "natürlichen Autorität auf metaphysischer Grundlage. Staat und Religion sind wiederzuvereinen." Ausgehend von der richtigen Beobachtung der gegenwärtigen Entleerung der Demokratie unter der Herrschaft der Sachzwänge kommt Caspart zum falschen Schluss, dann auch offiziell ein Ende zu machen: "Von der Demokratie bleibt nur ein schöner Schein, ihre konterrevolutionäre Beseitigung würde der breiten Masse keineswegs schaden." Schließlich wird der wehrhafte Waffenstudent richtiggehend martialisch: "Alles, was europäische Kultur zerstört und krank gemacht hat, muss selbst vernichtet werden. Die Strategie der revolutionären Zersetzung erzwingt jetzt ihren umgekehrten Einsatz gegen die Zersetzer selbst."
Die antidemokratischen Ausfälle Casparts kommen insofern überraschend, als man bei Zur Zeit infolge der Aula-Kontroverse zunächst um Abgrenzung zum äußerst rechten Rand bemüht schien. In der Juni-Aula (S. 6 f.) hatte deren Schriftleiter, Martin Pfeiffer, darüber informiert, dass seine Kolumne in Zur Zeit eingestellt worden sei, wie ihm "im Auftrag des Chefredakteurs [laut Impressum: Herausgeber] Andreas Mölzer" mitgeteilt worden sei. Pfeiffer vermutete einen Zusammenhang mit "dem Naheverhältnis der ZZ und deren finanzieller Abhängigkeit von der FPÖ", die sich bereits im Fall der Aula einer "Kindesweglegung" schuldig gemacht habe. "Um allfälligen Schaden von seiner Zeitung abzuwenden, vollzog Mölzer wohl diesen Schritt. Dafür habe ich vollstes Verständnis, hätten doch Konsequenzen seitens der FPÖ massive Auswirkungen auf den Bestand der 'Zur Zeit'!"
Anmerkungen
1 Als Verantwortlicher für die "Heimseite" des Salzburger FAV sollte Caspart 2016 für einen dort veröffentlichten rassistischen Text zur Rechenschaft gezogen werden (siehe: "Arbeitslager" für Ausländer). Ein Salzburger Gericht wollte jedoch im inkriminierten "Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik" keinen Straftatbestand erkennen und sprach Caspart von der Anklage nach § 283 StGB frei (salzburg.orf.at/news/stories/2795072).