Auszug aus: Brigitte Bailer-Galanda, Leuchter und seine Epigonen, in: Brigitte Bailer-Galanda / Wolfgang Benz / Wolfgang Neugebauer (Hg.), Wahrheit und "Auschwitzlüge". Zur Bekämpfung "revisionistischer" Propaganda, Wien 1995, S. 94-98
Anläßlich der Diskussion um eine Novellierung des Verbotsgesetzes bzw. der Einführung einer strafrechtlichen Bestimmung zur Ahndung der Leugnung der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen versuchte der damalige Präsident der Bundesingenieurskammer und gesuchte Bausachverständige Dipl. Ing. Walter Lüftl, "einige Nationalratsabgeordnete davon zu überzeugen, daß begründete Zweifel und unlösbare Widersprüche hinsichtlich der Massentötungen mittels Giftgas bestünden". (1) Angeblich nur Zweifel an den "technischen Fakten" veranlaßten Lüftl, eine Darstellung "Holocaust. Glaube und Fakten" an eine Reihe von Politikern, Persönlichkeiten im Justizapparat und Journalisten zu versenden. Offenbar erreichte das Lüftl-Papier auch den Herausgeber des neonazistischen Blattes "Halt", Gerd Honsik, der Auszüge daraus im Juli 1991 unter der Überschrift: "Es ist soweit: Leuchter und Lachout bestätigt! Ein naturwissenschaftliches Gutachten ist im Entstehen. 'Halt' informiert als erste Zeitung aus erster Hand" (2) publik machte. Im September 1991 veröffentlichte das neonazistische Blatt "Sieg" Auszüge daraus. (3)
Die weiteren Ereignisse beschreibt Dipl. Ing. Lüftl selbst: "Durch diese Tätigkeit wurde offenbar ein deutscher Rechtsanwalt aufmerksam, der mir am 24. 5. 1991 einen detaillierten Auftrag erteilte, in Auschwitz Befund zu erheben [...] und ein Gutachten zu erstatten. Ich habe diesem Anwalt meine bis dahin niedergeschriebenen Ergebnisse der eigenen Überlegungen übersandt, aber mitgeteilt, daß ich eine Reise nach Auschwitz wegen beruflicher Überlastung nicht antreten könne und darüber hinaus die Arbeit nicht allein, sondern nur unter Zuziehung von Spezialisten durchführen könnte." (4) Außerdem habe er aus den Mitteilungen des Dokumentationsarchivs erfahren, daß es sich in Auschwitz um museale Rekonstruktionen handle und eine Begutachtung daher keinen Sinn mache. Bei dem Anwalt handelte es sich um den Verteidiger Otto Ernst Remers, Hajo Herrmann, der auch als Auftraggeber Germar Rudolfs in Erscheinung trat. Mit Rudolf trat Lüftl dann auch in brieflichen Kontakt. Unter den Danksagungen Rudolfs am Ende seines "Gutachtens" erwähnt dieser "ganz besonders Herrn Dipl. Ing. Baurat h. c. W. Lüftl für die vielen subgutachterlichen Beiträge vor allem in Fragen der Bautechnik". (5)
Als die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" in einem Artikel diese Tätigkeiten Lüftls zur Sprache brachte, wurden aufgrund einer Anzeige Voruntersuchungen wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung gegen diesen eingeleitet, zuvor schon mußte er als Präsident der Bundesingenieurskammer zurücktreten. Unverständlicherweise stellte die Oberstaatsanwaltschaft Wien entgegen den Absichten des Untersuchungsrichters das Verfahren gegen Dipl. Ing. Lüftl ein und führte in ihrer Begründung aus, daß weder Lüftl noch Germar Rudolf eindeutig der rechtsextremen "revisionistischen" Szene zugeordnet werden könnten. Nur persönliche, subjektive Zweifel, aber keine propagandistische Absicht hätten Lüftl zur Abfassung seiner Schrift veranlaßt. (6)
Der Leiter des Dokumentationszentrums des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes, Dipl. Ing. Simon Wiesenthal, und der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes protestierten bei Justizminister Dr. Michalek gegen die Verfahrenseinstellung und äußerten die Befürchtung, dieses Verhalten der Justiz wäre eine Ermunterung für alle Rechtsextremen und "Revisionisten". Genau in diesem Sinne feierten österreichische und ausländische rechtsextreme Zeitschriften die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft als Sieg des "Revisionismus".
Die in der Steiermark erscheinende rechtsextreme Zeitschrift "Aula" (7) berichtete unter dem Titel "Naturgesetze gelten für Nazis und Antifaschisten" über den Ausgang des Verfahrens, (8) der Herausgeber der Zeitschrift muß sich deshalb nun wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung vor Gericht verantworten. Die gleichfalls rechtsextremen "fakten", als deren Herausgeber Horst Jakob Rosenkranz, der Gatte einer niederösterreichischen F-Landtagsabgeordneten, firmiert, zeigten sich erfreut über den "Mut zur freien Wissenschaft". (9) Überwältigendes Echo fand die Entscheidung der österreichischen Justiz in deutschen rechtsextremen Blättern. (10) Seine internationale Verbreitung hatte der "Lüftl-Bericht" zuvor durch das "Journal of Historical Review" gefunden, das eine leicht modifizierte Fassung im Winter 1992/93 veröffentlicht hatte, allerdings mit dem Vermerk: "To insure that Lüftl is not brought into any further legal jeopardy, it should be stressed that this report is published here [...] without the author’s authorization or cooperation". (11) Auch im internationalen Computernetzwerk "Internet" wurde - ohne Wissen und gegen den Willen der Netzwerkbetreiber - der "Lüftl-Report" zum Abrufen angeboten.