"[B]is zur Unberührbarkeit kontaminiert", "[e]s wird nichts Großes mehr daraus": So urteilte Götz Kubitschek, Zentralfigur des modernisierten Rechtsextremismus in Deutschland, im Interview mit der Grazer Neuen Ordnung (3/2019, S. 16) über die von ihm jahrelang protegierte Identitäre Bewegung. Angesichts ihrer inzwischen selbst von ihren eigenen Idolen konstatierten Zerfallserscheinungen zeigen die Identitären sich seit einigen Monaten um Neuaufstellung bemüht. Bisher greifbarstes Ergebnis ist die vom Kopf der Gruppierung, Martin Sellner, Anfang Dezember 2019 in einem Kommentar für die deutsche COMPACT bekanntgegebene Gründung einer neuen "Bewegung" (vorerst noch ohne Abwicklung der alten). Deren eigentliche Gründungsveranstaltung fand am letzten Jänner-Wochenende 2020 im Ibis-Hotel Wien-Mariahilf statt.
Noch im Dezember 2019 hatte die neue Initiative ihre Online-Existenz aufgenommen. Sie führt den Namen Die Österreicher und das zynisch an eine Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus (O5) angelehnte Kürzel DO5. Bislang hat die Gruppe weder die Gestalt einer Partei noch die eines Vereins angenommen und hat dies nach eigenem Bekunden auch nicht vor. Stattdessen hat man sich als Unternehmen konstituiert. Als Kopf fungiert zumindest formal Jakob Gunacker, ein Jünger des deutschen Verschwörungsphantasten und medizinischen Scharlatans Bernd Klein (siehe: www.derstandard.at/story/2000113127197/wie-die-identitaeren-die-oesterreicher-do5-und-ein-bizarrer-medizinguru.
Der Online-Auftritt der Österreicher offenbart Unterschiede zum strategischen Ansatz der Identitären. Während Letztere sich als avantgardistische Kaderorganisation junger Menschen bzw. Männer unter 30 mit gesellschaftstheoretischem Anspruch verstanden, will die neue Gruppierung zur Massenorganisation für alle Bevölkerungsschichten werden. Mit Blick auf die propagierten Inhalte ist jedoch von einer bloßen Rebranding-Aktion auszugehen: dieselben Positionen erscheinen statt in schwarz-gelb nun in rot-weiß-rot. Nach wie vor dominieren die Themensetzungen Migration und "kulturelle Identität", wobei deren angebliche Bedrohungen in der bekannten Terminologie verhandelt und beklagt werden: "Überfremdung", "Islamisierung", "Bevölkerungsaustausch".
Auch in anderen Belangen bedient sich die Gruppe aus dem Fundus rechtsextremer Rhetorik und Ideologie. So enthält der "5-Punkte-Plan" der Österreicher die Forderung nach Abschaffung der heute relevantesten (und daher von rechtsextremer Seite besonders beargwöhnten) Teile des NS-Verbotsgesetzes, wenn gefordert wird, nur noch solche "Meinungsdelikte" zu verfolgen, die mit Gewaltaufrufen einhergehen. Damit würde etwa Holocaustleugnung legalisiert. Dazu passend, propagiert die neue Gruppierung eine "Erinnerungskultur ohne neurotischen Selbsthass" – eine in rechtsextremen Diskursen gängige Chiffre für die Ablehnung einer selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen Nationalgeschichte und der daraus folgenden Konsequenzen für die Gegenwart.
Erstmals offline in Erscheinung traten die Österreicher mit einer Kundgebung am 7. Jänner, dem Tag der Angelobung der neuen österreichischen Bundesregierung, vor dem Parlamentsgebäude in Wien. Zu einer zweistelligen Zahl an TeilnehmerInnen sprachen Sellner und Gunacker als die beiden Gesichter der Gruppierung. Sellner beklagte in seiner Rede die "Katastrophe" und "historische Schande" einer Involvierung der Grünen in eine Bundesregierung, wobei Justizministerin Alma Zadić besonders negative Würdigung erfuhr. Der "sehr guten Regierung" von ÖVP und FPÖ trauerte Sellner dagegen nach. Unter Türkis-Grün werde Österreich endgültig zu einer "linken Gesinnungsdiktatur" mutieren, in der "der sanfte Totalitarismus [...] unsanft" werde. Bundeskanzler Sebastian Kurz sei ein "aalglatte[r] Globalist", der an der Seite von George Soros eine "globale Agenda" der "Ersetzungsmigration" verfolge und den "Bevölkerungsaustausch" vorantreiben werde. Bald schon werde es "keine Österreicher in Österreich mehr geben". Trotz der kümmerlichen Zahl an KundgebungsteilnehmerInnen wähnt Sellner, bezugnehmend auf die Wählerschaft der FPÖ im Allgemeinen und die Vorzugsstimmen für Ex-Innenminister Herbert Kickl im Besonderen, zwischen 700.000 und 1,3 Millionen Menschen im Rücken seiner neuen "Bewegung". Hinsichtlich der für Sommer 2020 angekündigten "größte[n] patriotisch[n] Kundgebung der Zweiten Republik" will man sich dennoch mit 5000 TeilnehmerInnen bescheiden. Wenn "das Volk" aufstünde, werde die Macht der derzeit Regierenden "vom einen Tag auf den anderen zusammen[brechen]". Um dies zu bewerkstelligen, soll das ganze Land organisatorisch erschlossen und in jedem Dorf eine "patriotische Vernetzungsgruppe" etabliert werden.
Als zweiter Redner wähnte Jakob Gunacker, Sellner zufolge "schon seit langem aktiv", entlang der von seinem Vorredner ausgelegten Linien eine "globalistische Kaste" an der Macht, welche Österreich "zunehmend in eine Diktatur" verwandle.