Einmal mehr zeigt sich, was das Papier wert ist, auf dem sich Freiheitliche vom Antisemitismus distanzieren: Wie ein Mitschnitt der Rede des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner beim Jahreskongress 2016 der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) (siehe: FPÖ-Abgeordneter bei rechtsextremen Geschichtsfälschern) belegt, griff dieser dabei tief in die antisemitische Mottenkiste. In ein wiedergegebenes Zitat Robert Menasses fügte Hübner einen bezeichnenden Einschub über den Schöpfer der österreichischen Bundesverfassung ein: "Hans Kelsen – eigentlich Hans Kohn, aber hat sich Kelsen genannt [Gelächter]".
Ob sich der außenpolitische Sprecher der FPÖ des fehlenden Wahrheitsgehalts seiner Behauptung im Klaren war, tut nichts zur Sache. Hübner trat damit in die Fußstapfen des NS-Kronjuristen Carl Schmitt, der gerne abfällig von "Kelsen-Kohn" zu sprechen pflegte. Nach der Befreiung lag es am skandalumwitterten Professor Taras Borodajkewycz, den antisemitischen Kalauer nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: Er wetterte noch in den 1960er-Jahren gegen den "Juden Kelsen, der früher Kohn hieß".
Bereits im 18. Jahrhundert wurden jüdisch klingende Namen zur Markierung der Hassobjekte verwendet, seit damals dienen sie auch der Verächtlichmachung ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Träger. Als Joseph Goebbels seine berüchtigte Kampagne gegen den Berliner Polizeipräsidenten Bernhard – im Nazisprech "Isidor" – Weiß startete, konnte er bereits auf eine lange Tradition antisemitischer Namenspolemiken aufbauen. Weil sie es erlauben, Menschen als "Juden" zu identifizieren, ohne sie als solche zu bezeichnen, haben die Namenspolemiken nach 1945 nicht an Bedeutung für den Antisemitismus verloren. In Österreich agitierten etwa Freiheitliche in den 1990er-Jahren gegen den damaligen Unterrichtsminister Rudolf Scholten (SPÖ) – den sie als "Pfefferkorn" denunzierten.
Offenbar wusste die Redaktion des GfP-Kongress-Reports von der Problematik solcher Anspielungen: Sie machte kurzerhand aus "Kohn" "Grohm", auch das Gelächter des Publikums an dieser Stelle findet in der Druckversion der Hübner-Rede keine Erwähnung (Gesellschaft für Freie Publizistik e. V.: Die neue Völkerwanderung, Tübingen 2016, S. 36).