Ende Juni erklärten die Regionalmedien Austria, künftig auf die Beilage der Zeitschrift alles roger? zu ihren Wochenzeitungen Bezirksblatt bzw. Wiener Bezirkszeitung verzichten zu wollen (derstandard.at/2000082062629/Alles-Roger-in-Wiener-Bezirkszeitung-war-letzte-Verteilung). Der Schritt trägt einer Entwicklung Rechnung, welche die Blattlinie des Hochglanz-Querformats über die letzten Jahre zunehmend ins Rechtsextreme abdriften ließ und als deren Ergebnis alles roger? den Vergleich mit dem kürzlich eingestellten völkischen Leitorgan Aula (www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/970046_Aula-wird-eingestellt.html) nicht zu scheuen braucht.
Schon auf sprachliche Ebene bedient die von Unternehmer Ronald Seunig herausgegebene Zeitschrift sämtliche aus der rechtsextremen Publizistik bekannten Register: von "Gesinnungsterror" und "Nationalmasochismus" ist hier ebenso die Rede wie von "Multikulti-Zwang", einer in den "Hauptstrommedien" herrschenden linken Meinungshegemonie oder einer allenthalben geschwungenen "Nazi-Keule". MuslimInnen werden als "Mohammedaner" bezeichnet, die Fluchtbewegungen von 2015 als "Asylanten-Invasion".
In seiner Februar-Ausgabe hatte das Magazin einen in Österreich und Deutschland herrschenden "Gedenkkult" geortet. Die postnazistischen Länder hätten, so der ständige Autor Helmut Neuhold im entsprechenden Artikel, "die Weltsicht der Sieger" angenommen, sich "dem Diktat einer fremden Ideologie und der Schuldzuweisung [für den Zweiten Weltkrieg]" unterworfen. Vergangenheitsbewältigung sei "die politische Waffe des politischen Establishments". Die 68er-Generation habe eine "Umerziehungspolitik" betrieben und eine "Gesinnungsdiktatur" errichtet. Dass diese Generation nun im Begriff sei abzutreten, gebe dagegen Anlass für "Hoffnung" auf "Neues". (S. 15) Im Mai schlug Neuhold den Bogen von "Revisionismus" zu Revanchismus und gab seine Meinung kund, wonach "die Polen" heute "auf riesigen Gebieten [sitzen], die sie dem deutschen Volk geraubt haben". (S. 62)
In der aktuellen Ausgabe (Juli, S. 69) widmet Neuhold sich mit der Freimaurerei einem traditionellen Hauptfeindbild rechtsextremer und neonazistischer Kreise. Ob Französische Revolution, Gründung der Vereinigten Staaten, Erster oder Zweiter Weltkrieg: überall hätten die Maurer ihre Finger im Spiel gehabt, im Fall der beiden Weltkriege jeweils zum Nachteil Deutschlands. "Da viele von ihnen Juden waren, beflügelte dies [in der Zwischenkriegszeit] den Antisemitismus." Nachdem damit die von Neuhold geortete freimaurerische Weltverschwörung für alle, die es glauben wollen, zugleich als jüdische markiert wurde, führt er aus, worum es der Freimaurerei eigentlich gehe: um "Gleichheit" nämlich, welche "einerseits durch 'revolutionäre Ereignisse'", andererseits durch "Rassenvermischung" herbeigeführt werden soll. Als Kronzeuge dient ihm, in geistiger Nachfolge Gerd Honsiks, Richard Coudenhove-Kalergi, Gründer der Paneuropa-Bewegung. Dem verderblichen Wirken der Freimaurerei hätte, Neuhold zufolge, nur einer Einheit gebieten können: der Faschismus. Als mit diesem die "einzig wirklich gefährliche Konkurrenz" niedergerungen war, seien die Maurer an die Umsetzung ihrer Pläne einer europäischen Einigung geschritten. Jüngst, so insinuiert er, hätten sie via Bilderberger-Konferenz im Sinne ihres vermeintlichen Masterplans "endgültig die Schleusen" für massive Immigration nach Europa geöffnet.
Vor dem Hintergrund all dessen verwundert nicht, dass alles roger? sich durch rechtliche Instrumente wie den Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) in seiner Propagandafreiheit beschränkt fühlt. Dieser Straftatbestand sei, so Co-Chefredakteur Klaus Faißner, nicht weniger als "der Tod der Meinungsfreiheit". (April, S. 10) Ein mit dem Paragraphen in Konflikt Geratener darf ihn mit dem NS-Heimtückegesetz vergleichen, das freilich nicht Aufrufe zu Gewalt oder Herabwürdigung von Minderheiten unter Strafe stellte, sondern Kritik an der NSDAP, dem NS-Staat und seinen Protagonisten. Von der neuen Bundesregierung wünscht Faißner sich konsequenterweise die Abschaffung des § 283. (Ebenda, S. 12) Ergänzt werden solche Forderungen durch regelmäßige Attacken auf eine vermeintlich politisch motivierte Justiz und einzelne RepräsentantInnen derselben. "Die Zahl der Justizopfer" sei aktuell "so groß wie wahrscheinlich noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg". (Juni, S. 13)
Ein weiteres Hauptfeindbild der Zeitschrift wie auch der extremen Rechten insgesamt ist der ungarisch-amerikanische Unternehmer George Soros. Das Mai-Heft widmete ihm die Titelseite und gleich mehrere Artikel. Darin wird Soros, "Sohn jüdischer Eltern", als "Liebkind mächtiger Kreise wie der Rothschilds" vorgestellt, mit denen er bis heute eng kooperiere. (S. 9 f.) Apodiktisch wird behauptet, Soros sei der "Lenker der Masseneinwanderung". (S. 11) Offenbar inspiriert durch die ungarische Regierung konstruiert alles roger? ein Soros-"Netzwerk" für Österreich. Die Sorge über das Wirken von "Global Player[n] wie George Soros" treibt auch Herausgeber Seunig persönlich um – kryptisch erweitert auf "diese amerikanische Background-Gesellschaft, die sozusagen über den Planeten herrscht". (Juli, S. 22)
Verschwörungsphantasien liefert seit einigen Monaten auch Schlagersänger Thomas Anders in Form seiner Kolumne. Darin popularisiert er Positionen wie "Kinderimpfer sind Kinderschänder" (April, S. 45) oder die Möglichkeit der Auslösung von Grippewellen durch Chemtrails: "Sprüht man uns krank? Und verkauft uns dann Impfungen, die uns noch kranker machen?" (Mai, S. 70) Für Florian Machl (u. a. Betreiber der Desinformationsseite Austropress, Linz) wiederum liegt "die Ähnlichkeit" zwischen NS-Sturmabteilung und Antifa "auf der Hand": man brauche nur das Logo der SA mit dem "Anarchie-Logo der Antifa" zu vergleichen. (Juni, S. 37) Klaus Faißner schließlich deckt im aktuellen Heft in ähnlich überzeugender Argumentation auf, "was hinter dem Binnen-I steckt": offenbar solle "mit dem Gendern eine dunkle Ideologie durchgesetzt werden". Habe es doch im Kommunistischen Manifest schon geheißen, "dass die Zwecke der Kommunisten 'nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen'". (Juli, S. 33)
Unterstützt werden Ergüsse wie diese durch Inserate u. a. des rechtsextreme Periodikums Info-DIREKT aus Linz, der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ, vier Einschaltungen in den letzten vier Nummern) sowie des Sport- und des Innenministeriums (beide inserierten bislang einmalig in der Mai-Ausgabe). Der Angabe aus dem Juni-Heft, wonach alles roger? 2016 und 2017 keinerlei Presseförderung oder Regierungsinserate erhalten habe und demnach "an Steuergeldern: null Cent!", ist eine Unschärfe zu attestieren: stammen doch auch die bereits in diesem Zeitraum üblichen Parteiinserate über Parteienförderung und Wahlkampfkostenrückerstattung ebenfalls aus öffentlichen Quellen. Trotz dieser Zuwendungen muss Herausgeber Seunig im Juli-Heft feststellen, dass alles roger? bislang noch nicht den Punkt erreicht habe, "dass man sagt: Ja, das zahlt sich wirtschaftlich aus". (Juli, S. 21)