Andreas Mölzers Wochenzeitung ZurZeit wurde einer breiteren Öffentlichkeit nicht zuletzt durch ihre wiederholten Ausfälle gegenüber Menschen nicht-weißer Hautfarbe bekannt. 2012 agitierte sie gegen den "pechrabenschwarze[n]" David Alaba, den man nur unter Anführungszeichen als Österreicher zu bezeichnen bereit war. 2015 beklagte sie, illustriert mit dem Foto einer Wiener Kindergartengruppe, eine fortschreitende "rassische Durchmischung". 2016 ließ sie den französischen Rassisten Pierre Krebs im Interview die "Achtung der völkerbiologischen Gesetzmäßigkeiten" einfordern (siehe: ZurZeit: Heidentum statt "christliches Abendland"?) 2017 (Nr. 29-30, S. 59) prophezeite Herausgeber Mölzer persönlich eine "Masseninvasion von Schwarzafrikanern", deren Ergebnis "man mit Fug und Recht als Negerkonglomerat bezeichnen" könne – eine Aussicht, die, so Mölzer in Universalisierung seiner persönlichen Empfindungen, "einen eigentlich nur mit Angst und Schrecken erfüllen [kann]".
Bis heute praktiziert die Zeitschrift die Verwendung des N-Worts und ereifert sich über Aufforderungen, davon abzulassen. So beklagte jüngst Co-Herausgeber Walder Seledec, man dürfe heute "nicht mehr sagen, was man denkt – z. B. Neger, Zigeuner etc." (Nr. 17/2020, S. 59). In derselben Ausgabe werden die "Rechte der einheimischen, weißen Europäer" gegen die Menschenrechte in Anschlag gebracht (S. 21) und stellt Manfred Tisal, offenbar unironisch, die rhetorische Frage, "ob die Bezeichnung 'Rassist' nur der Vorwand einer politisch anders orientierten Gruppe ist, um Anderen ein schlechtes Gewissen einzureden". (S. 15) Wie zur Verneinung werden in der Folgenummer (Nr. 18/2020, S. 48 f.) die "Unterschiede zwischen den Völkern, Rassen und Kulturen" beschworen und – einmal mehr – Verschwörungsfantasien über eine geplante Abschaffung der "weißen Rasse Europas" verbreitet (vgl.: ZurZeit: "Corona-Wahnsinn" von rechtsaußen).
Wo Rassismus nicht erkannt wird, müssen antirassistische Proteste wie jene der Black Lives Matter-Bewegung (BLM) für Irritation sorgen – wie die Juni-Ausgaben von ZurZeit belegen. "Und was ist mit den Milliarden anderer Leben? Zählen die etwa nicht?", fragt man in mutmaßlich gespielter Ignoranz gegenüber dem Gemeinplatz, dass der Slogan die Geltung auch (und nicht etwa ausschließlich) schwarzer Leben einfordert (Nr. 24/2020, S. 56). Im selben Heft wird über den Fall eines Afroamerikaners berichtet, dessen Universitätsstudium in Mississippi 1962 mit Unterstützung staatlicher Sicherheitskräfte durchgesetzt werden musste. Dass Präsident Kennedy nicht bereit war, die Rechtsbrüche der lokalen Behörden zu tolerieren und vor einem rassistischen Mob zu kapitulieren, empört ZurZeit-Autor Erich Körner-Lakatos: "statt mit den demokratisch gewählten Vertretern des betreffenden Einzelstaates in eine Diskussion auf Augenhöhe einzutreten und deren Ansichten zu respektieren, will der Herr im Weißen Haus seine Sicht der Dinge mit roher Gewalt durchsetzen." (S. 46)
Im Folgeheft (Nr. 25) nimmt die BLM-Bewegung breiteren Raum ein. Gert Bachmann sieht sie als Ausdruck des Bemühens diffuser "Kräfte", "mit Hilfe eines dunklen Regenbogens Europa zu unterwerfen". Durch die antirassistische Bewegung seien "Freiheit und Diversität" bedroht, wie zuvor u. a. durch Nationalsozialismus und Realsozialismus (S. 19). Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Johannes Hübner ortet eine "medienglobal durchgeschaltete Betroffenheits- und Empörungswoge" aus Anlass des "– sicher tragischen – Todes des hochkriminellen Mr. Floyd". (S. 30) Generell kommt keine Einlassung zu BLM in ZurZeit (und anderen vergleichbaren Medien) ohne Hinweis auf die Vorstrafen George Floyds aus – offenbar der Ansicht folgend, dass dessen Tod in Polizeigewahrsam dadurch zumindest eine gewisse Rechtfertigung erführe.
Nach Dafürhalten Bernhard Tomaschitz', des geschäftsführenden Redakteurs der Zeitschrift, ist BLM schlichtweg eine "anti-weiße Koalition" und daher selbst "rassistisch" (S. 32). Die Unterstützung der Bewegung durch Weiße wird dementsprechend gleich an zwei Stellen der Ausgabe als Ausdruck von "Selbsthass" eingestuft (ebenda, S. 34). Der US-Ökonom und Ex-Politiker Paul Craig Roberts schließlich darf im Interview die auch in linken antiisraelischen Kreisen populäre Falschmeldung verbreiten, dass die Polizei von Minnesota "von Israelis in der Anwendung von Zwangstechniken geschult" worden sei (S. 34). Dass Roberts versucht, die Schuld am Tod George Floyds indirekt Juden in die Schuhe zu schieben, überrascht nicht: er ist als Anhänger des britischen Holocaustleugners David Irving bekannt, was ihn für ZurZeit offenkundig weder als Interviewpartner ungeeignet noch zum Kandidaten für entsprechendes Factchecking macht.
Es bleibt Herausgeber Mölzer vorbehalten, die Übertragung von BLM auf Österreich zu kommentieren, also die Proteste "gegen den 'Alltagsrassismus', den es auch hierzulande geben soll", wie Mölzer schreibt. Der Herausgeber hält es für schlichtweg"grotesk[]", dass "derlei Rassismus-Proteste nunmehr auch in Österreich stattfinden". (S. 38) Im selben Atemzug, in dem Mölzer die Existenz von Rassismus in Österreich anzweifelt, adelt er ihn zum allgemein menschlichen Wesenszug: es sei "so etwas wie eine anthropologische Tatsache [...], dass der Mensch dem Fremden gegenüber und auch fremden Menschen gegenüber Vorbehalte hat, Ängste, Phobien, und dass sich diese eben auch in Vorurteilen oder gar in ganz konkreter Abneigung äußern". So, als wolle er seine These am eigenen Beispiel belegen, liefert Mölzer direkt im Anschluss eine Kostprobe ebensolcher Vorurteile, wenn er schreibt, dass "[d]as Wertegefüge etwa der großen muslimischen Zuwanderungsgruppe [...] oder auch das Lebensgefühl von Zuwanderern aus tropischen Breiten oder deren Arbeitsrhythmus [...] den entsprechenden heimischen zivilisatorischen Standards kaum entsprechen" würden. (S. 39)
Zum Abschluss des Heftes darf auch Leserbriefschreiberin Maria Klingler ihre Irritation darüber zum Ausdruck bringen, "dass sich unsere Berufsdemonstrierer das Rassenproblem der USA (Sklavennachkommen!) auf ihre Fahnen heften. Wir haben hier andere Leute, die wir ablehnen." (S. 58)