Mit der sich zunehmend verbreitenden Auffassung des 8. Mai als Tag der Befreiung von der Nazi-Herrschaft begannen Rechtsextreme auch in Österreich, die Agitation rund um dieses Datum zu verstärken. Unter dem Schlachtruf "Wir feiern nicht!" arbeiten sie an der Interpretation dieses Tages als einem der "totalen Niederlage", wie dies die Burschenschaft Olympia bereits vor Jahren formulierte. Gerade viele der mehrheitlich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und seinen Verbrechen eng verstrickten Burschenschaften halten am 8. Mai als Tag der Trauer fest. Heuer postete etwa die Teutonia Wien auf ihrer facebook-Seite einen Flugzettel mit der Parole "8. Mai 2015 - kein Fest der Freude!". Aber anstatt eine dahinter liegende Identifikation mit dem "Dritten Reich" offen zu bekunden, klagt man angebliche und tatsächliche Verbrechen alliierter Soldaten an.
Das FPÖ-nahe Wochenblatt Zur Zeit betitelte ihre Ausgabe zum Thema mit "Apokalypse 1945", illustriert mit einer von Bomben zerstörten Stadt. Herausgeber Andreas Mölzer beklagt im Editorial, dass heutzutage die "eigene Niederlage" bejubelt werde, worin sich ein "flächendeckender National-Masochismus" äußere (Zur Zeit 17/2015, S. 4). Der ehemalige deutsche Brigadegeneral Reinhard Uhle-Wettler behauptet in seinem Gastkommentar, die "Siegermächte" hätten auch nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht die "planmäßig begonnene Ausplünderung und Erniedrigung der Deutschen" fortgesetzt. Von "großer Bedeutung" sei dabei der "Raub der deutschen Akten" gewesen: "Gab er doch den neuen Besitzern über Jahrzehnte die Möglichkeit, das aktenmäßig festgelegte Geschehen zu fälschen oder gar auszusondern. Zugleich wurde den deutschen Historikern die Möglichkeit verwehrt, die Siegerpropaganda mit den Akten zu vergleichen." (Ebenda, S. 30) Dem britischen Neonazi und prominenten Kämpfer gegen diese angebliche Propaganda, David Irving, widmete Uhle-Wettler bereits 1998 eine Festschrift (siehe: Festschrift für Irving »). In seinem Vorwort freut er sich, dass es "viele aufrechte Deutsche gibt, die sich keinen Maulkorb umhängen und auch kein Schreibverbot" auferlegen lassen würden.
Auch für das "freiheitliche Monatsmagazin" Die Aula war der 8. Mai 1945 "kein Tag der Befreiung". In einem Gedicht findet sich dort einmal mehr die apologetische Behauptung, die Soldaten wären in den nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg gezogen, "um ihre Heimat zu schützen" (Die Aula 4/2015, S. 10).
Fred Duswald unternimmt in dieser Aula-Ausgabe übrigens den Versuch einer Ehrenrettung des antisemitischen Hochschullehrers Taras Borodajkewycz, den er "zum Opfer roten Terrors" (ebenda, S. 62) im Jahr 1965 stilisiert. Borodajkewycz - bei Duswald "Taras von Borodajkewycz" - war in der Ersten Republik in Kreisen des politischen Katholizismus sozialisiert worden und bereits im Jänner 1934 der illegalen NSDAP beigetreten. 1940 wurde er Dozent an der Universität Wien, 1943 Professor für Allgemeine Neuere Geschichte an der (deutschen) Universität Prag. Im Rahmen der Entnazifizierung nur als "minderbelastet" eingestuft, erfolgte 1955 seine Ernennung zum Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Hochschule für Welthandel. Im März 1965 fiel er zum wiederholten Male durch antisemitische und großdeutsche Äußerungen auf, worauf am 31. März 1965 die Österreichische Widerstandsbewegung und ein Antifaschistisches Studentenkomitee zu einer Demonstration gegen ihn aufriefen. In deren Verlauf wurde der 67-jährige Antifaschist Ernst Kirchweger vom Rechtsextremisten Gunther Kümel mit einem Faustschlag niedergestreckt, sodass er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Kirchweger war damit das erste Todesopfer neofaschistischer Gewalt in der Zweiten Republik. "Der KPÖ-Fanatiker fiel vor dem Hotel Sacher auf den Hinterkopf und gab zwei Tage später seinen Geist auf", so Duswald über den angeblich "defensiven Schlag" Kümels. (Ebenda) Doch Duswald geht es nicht nur um eine Rehabilitierung der Täter, sondern letztlich auch um eine Verhöhnung des Opfers: Unter dem sensationsheischenden Titel "Knalleffekt in der Causa Kirchweger" versteigt er sich zur Behauptung, der als antifaschistischer Widerstandskämpfer gehandelte Ernst Kirchweger sei in Wahrheit kein Verfolgter des NS-Regimes gewesen. Vielmehr habe er als Verwaltungschef des Compass-Verlags, wo Kirchweger in der Tat seit 1937 beschäftigt war, während der NS-Zeit "eine ruhige Kugel" (ebenda, S. 63) geschoben. Als "Beleg" dient ihm ein Dokument, aus dem in Wahrheit das exakte Gegenteil von Duswalds Geschichtsverdrehung hervorgeht: Nämlich dass Kirchweger als Compass-Mitarbeiter speziellen Überprüfungen unterworfen war, da der Verlag über als geheim eingestufte Informationen über Wirtschaftsunternehmen verfügte. Schließlich sei er den NS-Stellen aber als "zuverlässig genug" (ebenda) erschienen - so Duswald, um eine gewisse Systemkonformität Kirchwegers zu suggerieren. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Vorgang um eine Überprüfung durch das Referat "Gegnererforschung und Bekämpfung" der Wiener Gestapo. Diese charakterisierte Kirchweger, der seit 1934 der illegalen KPÖ angehörte, in der illegalen Gewerkschaftsbewegung aktiv war und als Nazi-Gegner bekannt war, dann auch als "politisch nicht einwandfrei" und akzeptierte seine Weiterbeschäftigung im Verlag nur unter der Bedingung, dass "er einer entsprechenden Beobachtung unterstellt" werden müsse. Das Schriftstück ist im DÖW (Akt Nr. 1944) einsehbar.