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"Identitäre" Enthemmung

Neues von ganz rechts - November 2017

Angesichts der von führenden Kadern inzwischen konstatierten Stagnation ihrer "Bewegung" lassen Österreichs Identitäre (IBÖ) zunehmend bisherige Hemmungen fallen und pflegen die offene Kooperation mit neofaschistischen und geschichtsrevisionistischen Kräften.

 

Anfang November begab sich eine Delegation der IBÖ nach Ungarn, um dort den Austausch mit ihrer ungarischen Partnerorganisation Identitás Generáció (IG) und mit dem Bürgermeister des südungarischen Grenzorts Ásotthalom, László Toroczkai, zu pflegen. Zunächst traf man mit dem Leiter der IG, Ábel Bódi, zusammen, den sein österreichisches Pendant Martin Sellner zwei Wochen zuvor bereits für seinen Youtube-Kanal interviewt hatte. Sellner zeigte sich in diesem Interview stolz, dass die Identitäre Bewegung nun auch über eine Sektion in Ungarn verfüge. Bódi teilte seinerseits die offenbar traumatischen Erinnerungen an sein Aufwachsen in einer liberalen Familie in Budapest, der "City of Sin", mit und legte seinen "geheimen Traum" offen, Österreich und Bayern mögen zusammen mit den Visegrad-Staaten eine "neue Union" außerhalb der EU bilden. Bódi befand sich auch unter den TeilnehmerInnen der jüngsten Identitären-Demonstrationen in Graz (August) und Wien (September).

 

Die IG zeigt sich in Sachen historischer Referenzen auf den Nationalsozialismus und Kontakten zu dessen heutigen Wiedergängern deutlich weniger zurückhaltend als die IBÖ. So teilt sie auf Facebook Inhalte der neonazistischen ungarischen Plattform kuruc.info, kommentiert den islamistischen Anschlag in Berlin vom Dezember 2016 mit einem Bild des nationalsozialistischen Volkssturms von 1945 (Hashtag: "DefendBerlin") und organisierte im Mai diesen Jahres ein Symposium in Budapest, auf dem der deutsche Neonazi (und Aula-Autor) Karl Richter und der schwedische Gründer der Neonazi-Enzyklopädie Metapedia, Daniel Friberg, als Redner auftraten. Die Mission der "Verteidigung Europas", welche die IG sich auf die Fahnen geschrieben hat, schließt auch Aktionen gegen die Budapest Pride mit ein. So verteilten IG-Aktivisten im heurigen Juli Warnflugblätter, denen zu entnehmen war, dass es am Tag der Pride in Budapest "warm" werden würde. Die LGBT-Parade könne "Übelkeit" verursachen und "besonders gefährlich für die gesunde Entwicklung von Kindern" sein.

 

Toroczkai hatte 2016 auf Einladung der Burschenschaft Olympia den Akademikerball der FPÖ Wien besucht (siehe: FPÖ-Akademikerball (wieder) mit Gästen von rechts außen). Der Gründer der neonazistischen 64-Komitate-Jugendbewegung (HVIM), welcher er bis 2013 vorstand, hat inzwischen den Weg in den Parlamentsklub der neofaschistischen Jobbik gefunden. Bereits Ende 2015 hatte der inzwischen aus der IBÖ ausgeschiedene Olympe Alexander Markovics Toroczkai besucht und für die rechtsextreme Zeitschrift Info-DIREKT interviewt bzw. für den ECKART darüber berichtet (Olympia, Blood & Honour und die österreichisch-ungarische Achse). Seinen Ruf als Verteidiger der EU-Außengrenze pflegt Toroczkai mit regelmäßig von ihm auf Facebook geposteten Fotos, die von seinen Grenzwachen gestellte, gefesselt am Boden kauernde Gruppen von Geflüchteten zeigen.

 

Martin Sellner bezeichnet die Politik Toroczkais in einem seiner Ungarnreise folgenden Facebook-Posting als "vorbildlich". In einem Videobericht führt er den Bürgermeister als "einen Grenzheiligen Europas" ein, bei dem man sich für "seine Leistung bei der Grenzsicherung [...] persönlich bedanken" wollte. Im Interviewgespräch lässt Sellner sein Idol wissen, er wünsche sich "mehr Politiker wie Sie. Ich denke, Wien muss wie Ihre Stadt werden, und Österreich muss wie Ungarn werden." (Übersetzung aus dem Englischen: DÖW) Umgekehrt gratulierte Toroczkai Sellner zu seiner Arbeit im Rahmen der IBÖ. Auf Facebook zeigte der Jobbik-Politiker sich "sehr glücklich" über den Besuch der IBÖ-Delegation. Dieser sei "besonders wertvoll und kostbar", da Martin Sellner Teil der Delegation gewesen sei. Am Tag nach seinem Dankesposting dokumentierte Toroczkai einmal mehr seine ideologische Verortung. Impressionen von einer Brauchtumsveranstaltung kommentierte er mit dem Bekenntnis "Not Kosher, not Halal, but Christian and Hungarian".

 

In etwa zeitgleich teilte Sellner auf Facebook ein Video des deutschen Verschwörungsmystikers Hagen Grell, der seinerseits Sellner bereits für seinen Youtube-Kanal interviewt hatte. Grell geißelt in dem unter dem Titel Alibis für die Holocaust Schuld stehenden Video "die nebulöse, nicht so richtig greifbare Holocaust-Schuld-Emotion, die uns eingedroschen wurde von Kindesbeinen an". Wie im Fall der christlichen Erbschuldlehre sei bei dieser anerzogenen "Grundschuld" einerlei, "ob sie existiert, ob sie nachweisbar ist". Auch die Erbschuld sei etwas, "woran man glauben muss, also was Religiöses, was jetzt nirgendwo nachweisbar ist [...]. Und genauso ist das mit dem Holocaust. Diese Holocaust-Schuld – auch etwas, was nicht nachgewiesen werden muss." Gleichzeitig zeigt Grell sich hoffnungsfroh, dass die von ihm konstatierte "Erkrankung [...] des Volkskörpers in Deutschland" heilbar sei. Sellner teilte diese Thesen nicht nur auf Facebook, sondern kommentierte sie auch auf Youtube ("Sehr gut"), was selbst unter Sellner-Anhängern für Irritation sorgte ("Alle driften sie in die Nazi-Ecke ab").

 

 

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