Im rechtsextremen Milieu fallen die Reaktionen auf Forderungen jüdischer Opfer und ihrer Angehörigen nach Rückgabe des geraubten Eigentums offen antisemitisch aus. In diesem sekundären Antisemitismus, der als Antisemitismus wegen Auschwitz seine Energie aus der individuellen und gesellschaftlichen Schuldabwehr bezieht, erfahren die klassischen Stereotype eine Modifikation. So wird etwa das antisemitische Bild vom "geschäftstüchtigen, geldgierigen Juden" nachgezeichnet: Heute profitiere dieser von der "Vergangenheitsbewältigung", die "der Jude" für seine Zwecke mißbrauche.
Das FPÖ-Parteiorgan Neue Freie Zeitung spielt schon im Titel auf dieses Stereotyp an: "Der Holocaust als Geldquelle ...". (Nr. 36/98) Die Shoah wird hier zum Gerücht: "Zwischen vier und sechs Millionen Todesopfer soll, je nach Lesart und Geschichtsschreibung, allein der Holocaust gefordert haben." Der Holocaust diene den Juden und Jüdinnen nicht nur als "cash-cow", sondern auch "als Druckmittel mit Killerargument-Qualität zur Durchsetzung vordergründiger Interessenslagen". Das Ressentiment heuchelt Sympathie für die Opfer, die vor ihren AnwältInnen in Schutz genommen werden müssen: "Jene, die (nicht nur an der amerikanischen Ostküste) Wiedergutmachungs- und Entschädigungsansprüche dergestalt vertreten, treten die Opfer mit Füßen. Und werden zu Tätern."
Haider-Berater Andreas Mölzer gibt in seiner Wochenzeitung Zur Zeit (Nr. 34/98) Ratschläge: "Schlecht beraten wäre die heimische Kultusgemeinde, sollte sie glauben, auf ähnlich repressive Art und Weise vorgehen zu können, wie dies seitens der US-amerikanischen 'Krokodil-Anwälte' erfolgt." Wieder separiert Mölzer die österreichischen Juden und Jüdinnen von den österreichischen "Bürgern", denen "nicht das Gefühl" gegeben werden sollte, "daß sie gewissermaßen ad infinitum als Melkkuh für Ansprüche herhalten müssen, für die es keine rechtliche und moralische Grundlage mehr gibt".
Bei der beliebten Warnung vor "neuem" Antisemitismus im Falle von Verstößen gegen das Schlußstrich-Gebot wird das eigene Reaktionsmuster bei den anderen festgemacht. In diesem Meta-Antisemitismus kann behauptet werden: Nicht die AntisemitInnen sind für ihren Haß verantwortlich, sondern die Juden und Jüdinnen schüren diesen mit ihrem Verhalten stets aufs neue. Etwa mit ihren Forderungen gegenüber einem "wiedergutmachungswilligen Land", welche bei Mölzer "unangenehme Emotionen" hochkommen lassen. Um welche "Emotionen" es sich hierbei handelt, verdeutlicht Mölzer zwei Ausgaben später: In Zur Zeit Nr. 36/98 geht er der Frage "Wer regiert die Welt?" nach. In den Mächtigen dieser Welt erblickt Mölzer bloße "Marionetten", die von finsteren Gestalten im Hintergrund gelenkt werden. Im Falle der USA seien das "zweifellos jene Kräfte, die im Bankwesen und in den Medien das Reden haben". Daß es sich bei diesen "Kräften" um Juden handelt, muß dann gar nicht mehr extra betont werden.