Bewerbung von holocaustleugnenden Publikationen, wohlwollende Berichte über deutsche Neonazis, offene NS-Apologie - die von den Freiheitlichen Akademikerverbänden herausgegebene Aula legte nach dem Abgang von Andreas Mölzer und Jürgen Hatzenbichler jede taktische Rücksichtnahme ab. Otto Scrinzi, der als "Schriftleiter" für den neuen Kurs maßgeblich verantwortlich zeichnet, steuerte für die jüngste Ausgabe einen Artikel bei, welcher aufgrund seines prototypischen Charakters nähere Aufmerksamkeit verdient.
Unter dem Titel "Vom Volk der Denker zu dem der 'Banker'" zeichnet Scrinzi ein Bild der Degeneration "Deutschlands". Wie stets in den rechtsextrem-paranoiden Untergangsszenarien sind die Verantwortlichen für die Misere rasch ausgemacht: die Juden. Im Antisemitismus nach Auschwitz werden diese aber nicht explizit genannt, sondern mit Codewörtern umschrieben. Scrinzi setzt hier wie so viele Rechtsextremisten auf die Identifikation von Juden und Geld oder (Groß-)Banken: "In keiner Epoche der uns bekannten Weltgeschichte galt so wörtlich wie heute: Geld regiert die Welt. Nicht die Jelzins, Clintons oder Schröders ziehen die Fäden, sondern die großen Banker und Spekulanten: Greenspans, Soros, Beresowskys." (Aula 7-8/1999, S. 28)
Im Suchen und Erkennen von verborgenen Wahrheiten liegt der quasi-religiöse Gehalt antisemitischer Verschwörungstheorien. Diese falsche Sinnstiftung macht ihre Beharrlichkeit gegenüber rationalen Argumenten aus. Nach der Entlarvung angeblicher Hintermänner - der "internationalen Geldherren" - werden diese von Scrinzi auch noch benannt. Die Erwähnung von Namen, die im Alltagsdiskurs sofort als 'typisch jüdisch' erkannt werden, hat eine ähnliche Funktion wie die Verwendung von Codes: Man kann über Juden sprechen, ohne diese Bezeichnung überhaupt verwenden zu müssen. Scrinzi führt dann einen weiteren beliebten antisemitischen Kunstgriff vor - den als Distanzierung gekleideten Vorwurf: "Nicht das monetäre Talent dieser Geldjongleure sei hier angeprangert, noch ihre Volkszugehörigkeit." Von ihm angeprangert werden hingegen jene "deutschen Politiker", die sich dem "Gott Mammon" unterworfen hätten. Als Einschnitt präsentiert Scrinzi das Jahr 1945, als "Deutschland" "von Kreuzzüglern eines neuen demokratischen und christlichen Humanismus" erobert, zerstört und geknechtet worden sei. Seither übten sich die "Deutschen" in "fortgesetzter Selbstdemütigung", welche sich auch in der Verwirklichung eines Holocaust-Mahnmals in Berlin ausdrücke. Dieses solle "in seiner Hybris nicht unschuldiger Opfer des letzten Krieges gedenken [...], sondern die ewige Unterwerfung festbetonieren".
Die Bezeichnung der von "Deutschen" und ihren Helfern ermordeten Juden als "Opfer des letzten Krieges" hat System, können so konkrete Taten und Täter im allgemeinen Kriegsgreuel aufgelöst werden. Die eigentlichen "Opfer" sind ohnehin die "Deutschen": Durch die Umerziehung jeder Widerstandskraft beraubt und von den Versprechungen der Konsumgesellschaft geblendet, hätten sie sich den "Bankern" ausgeliefert. Unter deren "Herrschaft" seien sie zwar "reich geworden", jedoch "geistig-kulturell" verarmt. Aus Scrinzis "Volk der Denker" ist mit dem Ende des Nationalsozialismus ein "verstörtes und verdummtes Volk" geworden, das sich von "Massenfluchten und -wanderungen" überrollen, als "Zahlmeister der halben Welt" ausbeuten und von "Jazz-Orgien" und dem "Geheule der Pop-Stars" berieseln lasse.