Am Wochenende des 14. und 15. Septembers fand in Wien eine polnische „Patriotische Buchmesse“ (Targi Książki Patriotycznej) statt, wie sie in jüngerer Vergangenheit unter demselben Titel auch in verschiedenen Städten Polens abgehalten wurde. Die dort zur Schau gestellten Bücher sowie die eingeladenen Autor*innen verbreiten antisemitische, geschichtsrevisionistische und homophobe Inhalte in einem Ausmaß, das für öffentliche Veranstaltungen in Österreich als außergewöhnlich bezeichnet werden muss.
Unter den zahlreichen für die Veranstaltung angekündigten Autor*innen befanden sich mit Wojciech Sumlinski und Marcin Rola Publizisten, die bereits 2023 in Wien in kirchlichem Rahmen hätten auftreten sollen – das DÖW berichtete. Sumlinski ist für seine Leugnung der polnischen Verantwortung für das Pogrom von Jedwabne 1941 bekannt, der er einen Film und mehrere Bücher gewidmet hat. Zudem verbreitet er Geschichtslügen wie jene, wonach sich Deutsche und Juden im Zweiten Weltkrieg gegen Polen verbündet hätten. Während die Deutschen Pol*innen ermordeten, hätten die Ghettos als jüdische Schutzzonen fungiert. Auch in der Gegenwart ortet Sumlinski jüdische Verschwörungen: So würden Juden hinter der Covid-19-Pandemie stecken und außerdem planen, Polen zu kolonisieren. Historisch würden sie dort als eine Art fünfter Kolonne operieren: „Wenn Juden immer unsere Eindringlinge unterstützten, in mehr oder weniger jeder Situation, mussten unsere Vorfahren dafür bezahlen, indem sie in Aufständen kämpften, während Juden diejenigen unterstützten, die diese Aufstände niederschlugen.“
Stargast der Veranstaltung war allerdings ein anderer: Grzegorz Braun, Europaparlamentarier der monarchistisch-nationalistischen KKP (Konfederacja Korony Polskiej). Seine Bekanntheit verdankt er maßgeblich seinem Übergriff auf eine Chanukkah-Feier im polnischen Parlament im Dezember 2023. Braun überfiel die Feier mit einem Feuerlöscher, tilgte die Chanukka-Kerzen aus und rief im Anschluss zu ähnlichen Akten antisemitischer Aggression auf. Ein halbes Jahr zuvor hatte er bereits im Deutschen Historischen Institut Warschau auf einer Veranstaltung über den Holocaust randaliert. Wiederholt sprach sich Braun für die Bestrafung von Homosexuellen – die er als „Perverse“ und „Sodomiten“ zu bezeichnen pflegt – aus, u. a. durch Auspeitschen. Die Liste dokumentierter antisemitischer, homophober und anderweitig menschenfeindlicher Aussagen und Aktionen von Braun ist so umfangreich, dass die polnische NEVER AGAIN Association (NIGDY WIĘCEJ) ihm im Dezember 2023 einen eigenen Report widmete, in dem auch die hier erwähnten Vorfälle nachzulesen sind.
Ein weiterer Gast der Buchmesse, der häufig in einschlägiger Weise auffällig wurde, ist der langjährige Radio-Maryja-Sprecher, Politiker, Rechtsanwalt und Publizist Stanisław Michalkiewicz. Einschlägig bekannt ist er für Gewaltaufrufe gegen LGBTIQIA+-Personen, er zweifelt historische Fakten über den Holocaust an, sieht Polen vom „Judeo-Kommunismus“ („Zydokomuna“) bedroht und will liberale Journalist*innen ausgepeitscht sehen. Auch er unterstellt Jüd*innen Pläne für eine Okkupation Polens sowie zur Zerstörung der Fundamente einer „lateinischen Zivilisation“, u. a. durch die Förderung von Homosexualität. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Antysemityzm? – piękna idea!“ („Antisemitismus? – Eine schöne Idee!“). Darin ereifert er sich über „die genehmigte Version der Zweiten Weltkriegs, speziell in Bezug auf das Lager Auschwitz”. Im Buch „Nazisci i szabesgoje“ („Nazis und Schabbes Goys”) vertritt Michalkiewicz antisemitische Verschwörungsmythen und umschreibt die Auschwitzlüge euphemistisch als „öffentliche[n] Zweifel an Wahrheiten, die von anonymen Sanhedrinen zum Glauben freigegeben wurden”. Im Buch, „Rzeczpospolita judaszy“ („Die Republik der Judasse“) bezeichnet Michalkiewicz Juden als die „Mikroben, die Fäulnis aus dem Westen bringen“ und die „Lateinische Zivilisation“ zu zerstören suchten – besonders durch die Zerstörung des Christentums.
Unter den weiteren Geladenen fanden sich Leczek Szymowski (Autor des Buches „Homo Terror“), Malgorzata Zietek-Wielomska (Covid-Verschwörungsideologin und Anhängerin Alexander Dugins), der Revisionisten Jerzy Robert Nowak; und Tomasz Sommer, Chefredakteur der rechtsextremen Zeitschrift Najwyższy Czas!, der Verschwörungsmythen und Antisemitismus verbreitet und antirassistische bzw. antihomophobe NGOs als „Läuse“ bezeichnet. Von ihm stammt der Film „Jedwabne. Historia Prawdziwa“ („Jedwabne. Die wahre Geschichte“), der die polnische Verantwortung für das Massaker leugnet. Für den Sonntag war Sommer auf der Wiener Veranstaltung als Vortragender zum Thema „Nieznana prawda o jedwabnem“ („Die unbekannte Wahrheit über Jedwabne“) angekündigt. Grzegorz Braun sollte die Veranstaltung eröffnen, gefolgt von einem Vortrag Sumlinskis über „Verbotene Wahrheit“. Sumlinski sollte außerdem mit Witold Gadowski die Ruch Obrony Polakow („Polnische Verteidigungsbewegung“) vorstellen. Auch Michalkiewicz fand sich zweimal im Programm.
Die Büchertische der „Patriotischen Buchmesse“ boten – neben der Gelegenheit zum Buchkauf ohne Rechnung – der Antisemitismusforschung reichhaltiges Zeugnis einer geradezu obsessiven Beschäftigung mit dem Judentum unter antisemitischen Vorzeichen. Neben Titeln Michalkiewiczs wie das erwähnte „Republik der Judasse“, „Studia nad zydofilia“ („Studien über die Judeophilie“), „Judaszyzm czyli frymarczenie suwerennością“ („Judentum oder die Vermarktung der Souveränität“) waren etwa Marian Miszalskis („Zydowskie Lobby Polityczne W Polsce” („Die jüdische politische Lobby in Polen“), Boguslaw Wolniewiczs „Polska A Zydzi“ („Polen und die Juden“) und Krzysztof Balinksis „Judejcczykowie nas podchodza“ („Die Judäer greifen uns an“) zu erwerben.
Veranstaltungsort war der Emmaus-Saal der Polnischen Kirche am Rennweg. Die Erzdiözese Wien wurde zwei Tage vor der Veranstaltung vom DÖW über diese informiert. Dem DÖW gegenüber distanzierte ein Sprecher sich von den Inhalten der Buchmesse. Eine Handhabe für eine kurzfristige Unterbindung habe allerdings nicht bestanden.
Nähere Informationen zu den erwähnten Personen sowie eine Nachlese der hier erwähnten Vorfälle und Einstufungen finden sich in einem Braunbuch der NEVER AGAIN Association.
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