Vergessene Verfolgungsgeschichten: hdgö und DÖW bringen deutsche Ausstellung „Die Verleugneten" nach Wien
Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) kündigen im Vorfeld des jährlichen Gedenkens am 8. Mai, dem Tag der Befreiung von der NS-Herrschaft, eine Kooperation an. Gemeinsam holen die beiden Institutionen die Wanderausstellung „Die Verleugneten" nach Österreich. Die Ausstellung wird aktuell in Deutschland von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg entwickelt und soll 2027/28 in Österreich zu sehen sein.
Auch 79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es Leerstellen in der Erinnerungskultur Deutschlands und Österreichs. Die Ausstellung „Die Verleugneten" widmet sich den oft übersehenen Opfern des Nationalsozialismus, die als „Gemeinschaftsfremde", „Asoziale" oder „Berufsverbrecher und Berufsverbrecherinnen" stigmatisiert wurden. Sie wurden in Konzentrationslager gesperrt, in Heimen, Arbeitsanstalten und psychiatrischen Anstalten festgehalten, viele von ihnen zwangssterilisiert, viele ermordet. Das Leid zehntausender Frauen, Männer und Jugendlicher rückt erst allmählich ins öffentliche Bewusstsein. Erst 2020 erkannte der Deutsche Bundestag sie als Opfer des Nationalsozialismus an. In Österreich ist die Anerkennung der als „Berufsverbrecher" und „Berufsverbrecherinnen" Verfolgten im Opferfürsorgegesetz immer noch ausständig.
Wer waren diese Menschen? Weshalb wurden sie verfolgt und wer war daran beteiligt? Warum verweigerten Staat und Gesellschaft ihnen so lange die Anerkennung als Opfer? Diese und weitere Fragen greift die Wanderausstellung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg mit dem Arbeitstitel „Die Verleugneten" auf. Sie soll 2024 in Berlin eröffnet und danach als modulare Ausstellung an verschiedenen Orten Deutschlands gezeigt werden. 2027/28 soll die Schau ergänzt um einen Österreich-Teil im hdgö zu sehen sein.
Die österreichspezifischen Inhalte werden von beiden Institutionen erarbeitet: Das DÖW recherchiert die Inhalte, das hdgö ist kuratorisch für die Ergänzung verantwortlich. "Wir müssen die Debatte um die Anerkennung stigmatisierter Opfergruppen neu anstoßen. Es freut mich, dass wir durch die Kooperation mit dem hdgö neue Einblicke in die Thematik geben werden. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die österreichische Erinnerungspolitik weiterzuentwickeln", sagt der wissenschaftliche Leiter des DÖW Andreas Kranebitter, der auch den Prozess der Anerkennung der Opfergruppen im Deutschen Bundestag begleitete, im Beirat der Ausstellung vertreten ist und aktuell mit "Die Konstruktion von Kriminellen" ein Buch zur Thematik veröffentlicht hat.
„Der ,Anschluss' Österreichs an das Deutsche Reich 1938 führte zu einer Radikalisierung der sozialrassistischen Verfolgungspolitik des Nationalsozialismus. Gemeinsam mit dem DÖW wollen wir diese historisch bedeutende Rolle sichtbar machen, bisher wenig bekannte Aspekte
stärker ins Bewusstsein rücken und den Opfergruppen mehr Sichtbarkeit verschaffen", so hdgö-Direktorin Monika Sommer.
Freier Eintritt am 8. Mai im hdgö
Das hdgö feiert den Tag der Befreiung und lädt am Mittwoch, den 8. Mai 2024 bei freiem Eintritt ins Museum ein. An diesem Tag kapitulierte 1945 die Deutsche Wehrmacht bedingungslos, daher stellt er das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Der Sieg der Alliierten über das NS-Regime beendete dessen verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungskrieg sowie die rassistische und politische Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen. Welche Auswirkungen hatte der Nationalsozialismus und wie wirkt er in der österreichischen Gesellschaft bis heute nach? Um 16 Uhr beleuchtet die Fokusführung Nationalsozialismus und Erinnern diese Themen in der Hauptausstellung Neue Zeiten: Österreich seit 1918
Weitere Informationen:
Webseite der Ausstellung „Die Verleugneten": https://www.die-verleugneten.de/
Freier Eintritt am 8. Mai: https://hdgoe.at/tag-der-befreiung_2024?date=2024-05-08
Fokusführung am 8. Mai, 16 Uhr: https://hdgoe.at/fokusfuehrung_nationalsozialismus-und-erinnerung_2024?date=2024-05-08
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ist Bibliothek und Archiv, Museum, Forschungsstätte und Beratungsstelle, Erinnerungs- und Begegnungsort. Es wurde 1963 von ehemaligen Widerstandskämpfer*innen und Verfolgten des NS-Regimes sowie engagierten Wissenschaftler*innen als Verein gegründet und ist seit 1983 eine Stiftung der Republik Österreich und der Stadt Wien. Die inhaltliche Tätigkeit des DÖW umfasste von Beginn an einen breiten Widerstandsbegriff und die Berücksichtigung aller Opfergruppen. In diesem Sinne hat es unhintergehbare Grundlagenforschungen vorgelegt und sich stets au ch
um die Vermittlung an die neuen Generationen bemüht. Das DÖW war stets über parteilich, aber nie unparteiisch. https://www.doew.at
Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö)
Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschicht liche Museum des Bundes. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das hdgö in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive
Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar - in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung. Viele spannende Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die
unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter https://hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.
Rückfragehinweis:
Johanna Fuchs, BA
Tel: +43 (0)1 53410-838
E-Mail: presse@hdgoe.at
Christine Schindler, BA MA
Tel: 01/2289469-329
E-Mail: christine.schindler@doew.at
<< Weitere Beiträge aus der Rubrik "Neues"