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Roscher, Franz

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Рошер Франц Францевич

Geboren: 1903, Reichenberg (Liberec, Böhmen)

Beruf: Ökonom, Redakteur

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1929

Wohnorte in der Sowjetunion: Pokrovsk (Wolgadeutsche Republik), Moskau, Tušino (Moskovskaja obl.)

Verhaftet: 09.01.1938, Moskau

Anklage: Spionage für Deutschland und die Tschechoslowakei

Urteil: 17.05.1938, Dvojka, Tod durch Erschießen

Gestorben: 28.05.1938, Butovo

Rehabilitiert: 14.11.1957

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: erschossen

 

Franz Roscher wurde 1903 in Reichenberg in Böhmen geboren. Sein Vater war von Beruf Weber und häufig als Wanderarbeiter unterwegs, später Gastwirt. Die Familie war aktiv in der Arbeiterbewegung in Reichenberg tätig, Mutter und Schwester waren KPČ-Mitglieder. Der Vater starb früh, Franz Roscher wurde hauptsächlich von der älteren Schwester namens Hermine erzogen. Er litt als Kind an Rachitis und war sein Leben lang gesundheitlich beeinträchtigt. Politisch war er seit früher Jugend aktiv, zuerst bei der tschechischen kommunistischen Jugend und ab 1924 als Mitglied der KPČ. Als Lehrling und Redakteur des Reichenberger Parteiblatts Vorwärts wurde er wegen politischer Tätigkeit mit einer Geldstrafe belegt. Nach seinem Militärdienst 1924/25 in der Tschechoslowakei übersiedelte Roscher nach Wien, wo er bis zum Sommer 1929 blieb. Roscher, der in Reichenberg die Handelsakademie besucht hatte, studierte nun an der Hochschule für Welthandel Volkswirtschaft. Er lebte von Zuwendungen seiner Familie und Gelegenheitsarbeiten, schloss aber sein Studium nicht ab. Er wohnte in den Grinzinger Baracken und war Aktivist der KJÖ und der Kommunistischen Studentenfraktion (KOSTUFRA). Bereits 1927 suchte er Arbeit in der UdSSR, er konnte allerdings erst zwei Jahre später dorthin übersiedeln.

 

In der UdSSR war Roscher zunächst 1929/30 als Redakteur bei der Zeitung Nachrichten in Pokrovsk (Engels) in der Deutschen Wolgarepublik beschäftigt, dann im Zentralen Staatsverlag in Moskau. 1931/32 war er als wissenschaftlicher Redakteur beschäftigt, in der Folge als Übersetzer bei der Nachrichtenagentur TASS. Im Herbst 1934 begann Roscher das Studium an der Moskauer Hochschule für Luftschiffbau in Tušino (das damals noch nicht zu Moskau gehörte), wo auch seine damalige Lebensgefährtin Gerda Hauser, die er bereits aus Wien kannte, studierte. Roscher wurde 1930 in die VKP (b) übernommen, jedoch Anfang Jänner 1938 wegen Kontakten zu "Volksfeinden" aus der Partei ausgeschlossen. Er verfügte über eine gute Rekommandation seitens des Vertreters der KPČ beim EKKI.

 

Die ersten Bedenken gegen ihn ("verdächtiger Mensch") äußerte Anton Kraevskij (Krajewski), der Leiter der Kaderabteilung des EKKI, im September 1935 in einem Brief an M.S. Gorb, den stellvertretenden Leiter der NKVD-Sonderabteilung. Kraevskij urgierte eine schnelle Überprüfung von Roschers Leumund. Das Parteikomitee in der Luftschifffahrtsschule attestierte Roscher hohe Qualitäten, Disziplin und Parteiloyalität, monierte allerdings seine mangelhaften Russischkenntnisse. In einer von seiner späteren Lebensgefährtin Lilli Beer-Jergitsch 1935 verfassten Charakteristik Roschers wird festgehalten, dass er Vater eines zweijährigen Kindes (Mutter war die Profintern-Mitarbeiterin Serena Barskaja) sei, Frauen gegenüber unbeständig und oft rücksichtslos. Verhaftet wurde Roscher am 9. Jänner 1938. Am 17. Mai wurde das Todesurteil verhängt. Die Hinrichtung erfolgte am 28. Mai 1938 in Butovo bei Moskau. Im Verhör "gestand" Roscher, seit 1925 Agent des tschechoslowakischen Geheimdienstes zu sein. Er sei von dem Reichenberger Polizeidirektor Groll als Spion angeworben worden, in Engels sei der aus Znaim stammende Rudolf Ondratschek (Ondraček), der stellvertretende Chefredakteur der Nachrichten, sein Kontaktmann zum tschechoslowakischen Geheimdienst gewesen. Roscher "gestand" auch, selbst eine Reihe von Spionen angeworben zu haben, darunter auch seine Lebensgefährtin Gerda Hauser.

 

Seine Tochter Ninel' Francevna Barskaja lebte noch in den 1990er-Jahren in Moskau.

 

 

Quelle: RGASPI, GARF, DÖW

 

Siehe auch Karin Nusko/Ilse Korotin (Hrsg.), Im Alltag der Stahlzeit. 18 Jahre in der UdSSR. Lilli Beer-Jergitsch (1904-1988). Lebenserinnerungen, Wien 2013.

 

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