Lämmel (Lämel) Bertha, geboren am 19. Juli 1878
Lämmel (Lämel) Isidor, geboren am 10. April 1878
Deportation nach Maly Trostinec: 2. Juni 1942
Im Zuge der Verhaftungswelle nach dem "Anschluss" 1938 wurde der pensionierte Wiener Bahnbeamte (Ober-Kondukteur) Isidor Lämmel am 16. März 1938 in Schutzhaft genommen. Von der Kündigungsaktion der nationalsozialistischen Wiener Stadtverwaltung gegen jüdische MieterInnen von Gemeindewohnungen Ende Juni 1938 waren auch er und seine Familie – seine Frau Bertha, eine ehemalige Fürsorgerätin der Stadt Wien, und Sohn Josef (Jg. 1907) – betroffen. Die Zustellung der Aufkündigung des Mietverhältnisses verzögerte sich allerdings: Lämmel war zu dieser Zeit noch in Haft im Inquisitenspital des Landesgerichts Wien; da "der Aufenthalt des Isidor Lämmel unbekannt" sei, bestellte das Bezirksgericht Fünfhaus am 9. Juli 1938 einen Abwesenheitskurator, dem die Kündigung am 12. Juli zugestellt wurde und der kurz darauf einen Antrag auf Enthebung stellte:
"Mangels näherer Angaben über die in Betracht kommenden Umstände habe ich mich als bestellter Kurator am 13. Juli gegen 8 Uhr abends in das Haus in Wien XV., Alliogasse Nr. 24 begeben [...].
Der Hausbesorger war um diese Zeit zufällig nicht anzutreffen, weshalb ich mich zur gekündigten Wohnung begab. Dortselbst meldete sich niemand auf mein Läuten. [...]
Ich begab mich hierauf in die Nachbarwohnung des Tischlermeisters Max Starkl, Tür Nr. 6 und erfuhr dort von diesem, dass Herr Isidor Lämmel seit längerer Zeit sich in Haft befand, jedoch aus dieser Haft am Samstag, den 9. Juli 1938 in seine Wohnung wieder zurückgekehrt ist."
Einwendungen Isidor Lämmels
gegen die Wohnungskündigung
Download >>
Etwa zu gleichen Zeit wandte sich Isidor Lämmel selbst an das Bezirksgericht Fünfhaus und ersuchte um Zustellung der Aufkündigung zu seinen Handen:
"Vorsichtshalber erhebe ich gegen die Aufkündigung, deren Inhalt mir nicht bekannt ist[,] die Einwendung der nicht fristgerechten Zustellung und der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist."
In einem undatierten Schreiben bat Lämmel mit Hinweis darauf, dass er "sowohl politisch als auch moralisch völlig unbescholten" sei, die Magistratsabteilung 21 "um Zuweisung einer Ersatzwohnung[,] da ich sonst mit meiner Familie und meiner geringen Habe der Obdachlosigkeit preisgegeben wäre".
Bei der am 28. Juli 1938 beim Bezirksgericht Fünfhaus anberaumten Verhandlung wurde ein Räumungsvergleich per 31. August 1938 geschlossen. Zusätzlich musste sich Lämmel verpflichten, die Kuratorkosten von nicht ganz 24 Reichsmark "in Monatsraten à 2 RM ab 2./9. 1938 h.a. zu bezahlen".
Am 9. September 1938 übersiedelte die Familie in die Hasnerstraße 57 in Wien-Ottakring. Bald darauf – am 23. September 1938 – wurde Isidor Lämmel wegen "dringenden Verdachts der Betätigung für die SPÖ" wieder festgenommen: er habe sich mit "ehemaligen Marxisten" getroffen und Geldbeträge erhalten. Anfang April 1939 war er im KZ Buchenwald inhaftiert.
Zuletzt wohnte das Ehepaar Lämmel in der Schiffamtsgasse 18/7 in Wien-Leopoldstadt. Bertha und Isidor Lämmel wurden am 2. Juni 1942 nach Maly Trostinec deportiert. Sie wurden Opfer der Shoah.
Ihr Sohn Josef Lämmel überlebte im Exil.
Literatur:
Herbert Exenberger / Johann Koß / Brigitte Ungar-Klein, Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus den Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938–1939, Wien 1996.
Für diese Publikation arbeiteten die AutorInnen Akten der Magistratsabteilung 52 auf.
<< zurück: Übersicht Maly Trostinec