Am 13. Juli 2020 sperrte das Videoportal YouTube die Kanäle des Österreichers Martin Sellner, Kopf der hiesigen Identitären Bewegung sowie von deren Nachfolgeorganisation
Die Österreicher. Begründet wurde die Sperre mit Verstößen gegen die YouTube-Nutzungsrichtlinien zu Hassrede. Sellners YouTube-Präsenz hatte zu diesem Zeitpunkt drei Kanäle mit mehr als 1000 Videos, 200.000 AbonnentInnen und 38 Millionen Views umfasst.
Sellner reagierte mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen die YouTube-Mutterfirma Google. Im September entschied darüber das Handelsgericht Wien zuungunsten Sellners. Dieser erklärte daraufhin, den Instanzenweg beschreiten zu wollen, sofern er binnen fünf Tagen Spenden in der Höhe von 11.000 Euro zur Deckung seiner Anwaltskosten generieren würde. Tatsächlich wurde dieses Ziel in nur einem Tag mit mehr als 15.000 Euro sogar noch übertroffen.
Im Februar 2021 unterlag Sellner auch in zweiter Instanz vor dem OLG Wien. In weiterer Folge verzichtete er auf den Gang zum OGH, womit die Entscheidung aus dem Provisorialverfahren Rechtskraft erlangte. Im März beendete Sellner per Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht auch das Hauptverfahren, das damit über die erste Instanz nicht hinauskam. Die Causa Sellner vs. Google ist damit abgeschlossen und kann von Ersterem auch nicht neu aufgegriffen werden.
Bemerkenswert ist diese Entwicklung angesichts der Begründung, mit der Sellner vergangenen Herbst um Spenden geworben hatte. Dass auch die zweite Instanz keinen Erfolg bringen würde, bezeichnete er in einem an seine AnhängerInnen gerichteten Vlog vom 30. September selbst als "sehr, sehr wahrscheinlich", vor dem OGH aber rechneten er und sein Anwalt sich Chancen aus. Das Urteil werde "bleibende Konsequenzen für den gesamten patriotischen Meinungsbereich haben", zumal YouTube sich in ähnlichen Fällen fortan darauf beziehen könne. Er sei, so Sellner damals, "sehr gespannt [...], ob ein Interesse daran besteht, in der doch sehr großen patriotischen Gegenöffentlichkeit, dass ich das Verfahren bis in die letzte Instanz ausfechte. Wenn ihr das wollt, mache ich es. [...] Die Entscheidung, meine Freunde, die habt ihr."
Getroffen werden sollte diese Entscheidung im Wege des Erreichens bzw. Verfehlens des erwähnten Zielbetrags, dessen Bemessung auf den Angaben von Sellners Anwalt über die Kosten für den Gang bis zum OGH basierte. "Wenn bei diesem Fundraiser die 11.000 Euro zusammenkommen, dann werde ich vor Gericht ziehen und das Ganze bis zum Obersten Gerichtshof durchfechten. Wenn es nicht zustande kommt, bekommt jeder dieses Geld von dem Fundraiser wieder zurück, wir belassen es in der ersten Instanz." Das Geld werde "natürlich nur und ausschließlich für diese YouTube-Klage verwendet".
Am 1. Oktober meldete sich Sellner erneut zu Wort und zeigte sich begeistert über den Erfolg seiner Spendenaktion. "Für mich ist es ein klares Ja, ein absoluter Auftrag von Euch, diesen juristischen Kampf weiterzuführen, was ich auf jeden Fall auch machen werde." Sellner rezitierte die Botschaften seiner SpenderInnen ("Gib nicht auf, für alle, die sich nicht wehren können"; "Danke für alles, was du für zukünftige Generationen auf dich nimmst") und verkündete: "Wir machen weiter, wir gehen bis zum Obersten Gerichtshof." Es handle sich um ein "wichtiges symbolisches Urteil" und er sei "schon sehr gespannt", wie der OGH "in dieser wichtigen Rechtsfrage entscheiden wird". Ungeachtet der erfolgreichen Spendeneinwerbung wird es nun zu dieser Entscheidung nie kommen.
Seine Behauptung, ein DÖW-Mitarbeiter habe für eine im gegenständlichen Verfahren abgegebene Expertise von Google "mehrere tausend Euro" erhalten und sich damit an seinem Rechtsstreit "gesund gestoßen", hatte Sellner im Oktober des vergangenen Jahres als unwahr widerrufen müssen.