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Neonazistische Renaissance?

Neues von ganz rechts - April 2025

Seit dem behördlichen Vorgehen gegen Personen rund um das Projekt alpen-donau.info 2011 waren in Österreich vergleichsweise wenige Regungen eines organisierten Neonazismus zu verzeichnen. Abgesehen von propagandistischen Online-Aktivitäten verlagerte sich neonazistische Aktivität in subkulturelle Bereiche wie die Kampfsportszene und den Fußballhooliganismus. Im Zuge der Corona-Maßnahmen-Proteste traten Neonazis ab 2020 wieder vermehrt auf den Straßen in Erscheinung, insbesondere in Wien und im Burgenland. Bei den großen Demonstrationen in Wien ließen sich regelmäßige Teilnahmen von gewaltaffinen Neonazis vor allem aus dem Hooliganmilieu beobachten, die zuweilen mit Angriffen auf Sicherheitskräfte gezielte Eskalationen setzten. Auch auf identitären Demonstrationen sind Neonazis regelmäßig anzutreffen, zuletzt etwa im Februar auf einer Kundgebung in der Wiener Innenstadt anlässlich des islamistischen Anschlags von Villach.


Schon im Juli 2024 waren an der identitären Sommerdemonstration in Wien zahlreiche neonazistische Teilnehmer beteiligt. Damals gab die Gruppe Defend Austria ihr öffentliches Debüt, die zugleich einen Neuanfang und eine Renaissance suggerierte: Das junge Alter ihrer (teils noch minderjährigen) Mitglieder stand in Kontrast zu deren Auftreten in der klassischen Skinhead-Ästhetik der 1990er Jahre, begleitet von einer bislang für neonazistische Zusammenhänge höchst untypischen, affirmativen Verwendung österreichischer Hoheitszeichen (Nationalflagge und Wappen), die im Widerspruch zur nationalsozialistischen Idee der deutschen Volksgemeinschaft steht. In ihrer Feindbildpflege setzte die Gruppe online wie offline (etwa im Rahmen einer schütter besuchten Kundgebung im September 2024 in Graz auf klassische Angriffsziele wie Migrant*innen und „Antifa“ sowie auf LGBTIQ-Feindlichkeit. Aufgrund befürchteter Repression infolge von Waffenfunden bei Aktivisten der Gruppe im Rahmen einer Kundgebung Ende November in Wien wurden Aktivitäten unter dem Label Defend Austria bereits wieder eingestellt. Manche Akteure finden sich jedoch in der Division Wien wieder, die ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2024 auf den Plan trat. Der Zusammenschluss wurde als „junge rechte aktive Jugendgruppe“ vorgestellt und weist Verbindungen zur alteingesessenen Neonazi-Szene um Gottfried Küssel auf. Auch in Linz waren zuletzt vermehrt Regungen eines jugendlichen Aktivismus zu beobachten, der sich in neonazistischen Formen artikuliert, während sein Ideologiegehalt diffus erscheint. Teile dieser neuen Generation werdender Neonazis, die sich teilweise im Zuge der Corona-Proteste politisiert bzw. fanatisiert hatten, haben jedoch offenkundig bereits Anschluss an arrivierte Kader gefunden.


Am 21. März kam es zu österreichweiten Hausdurchsuchungen und Festnahmen rund um ein Netzwerk selbsternannter „Pedo Hunters“: Die mutmaßlichen Täter, allesamt im jugendlichen bzw. jungen Erwachsenenalter, sollen unter dem Vorwand der „Bekämpfung von Pädophilie“ in einer (bis dato) zweistelligen Zahl von Fällen Männer – vorwiegend homosexueller Orientierung – zu vermeintlich romantischen Treffen gelockt haben, um sie zu überfallen, auszurauben und brutal zu misshandeln. Zumindest ein Teil der Beschuldigten war nicht nur in einschlägigen Online-Gruppen aktiv, sondern weist auch Verbindungen zu den genannten neonazistischen Zusammenschlüssen auf. Generell lässt sich festhalten, dass die extreme Rechte in den letzten Jahren verstärkt queere Menschen ins Visier ihrer Attacken genommen hat. Dabei wird Homo- und Transsexualität systematisch in den Bereich der Kriminalität gerückt, vornehmlich durch ihre Gleichsetzung oder Assoziation mit Pädophilie und über den Vorwurf einer interessierten „Frühsexualisierung“ von Kindern. In der Bespielung des Themas wurde teilweise kampagnenhaft und in konzertierter Aktion verschiedener Szenespektren vorgegangen. Queerfeindlichkeit hat sich damit neben dem antimuslimischen Rassismus als ideologischer Kitt zwischen verschiedenen Sektoren der extremen Rechten etabliert, die sich zudem bemüht zeigt, die Thematik für einen Brückenschlag in den konservativen Mainstream zu nutzen.


Ausführlich beleuchtet wird diese Entwicklung in Kapitel 8.2.1 des vom DÖW im Jänner vorgelegten Rechtsextremismusberichts 2023, der auch eine umfangreiche Bestandsaufnahme der neonazistischen Szene liefert (Kapitel 6.1). Zur laufenden Verjüngung des organisierten Neonazismus, dessen Verbindungen zur Fußball- und Kampfsportszene, ihrer Gewaltbereitschaft und dem internationalen Phänomen als „Pedo Hunting“ legitimierter Gewaltexzesse vgl. auch die jüngsten Beiträge von Stoppt die Rechten und derstandard.at.

 

 

 

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