Es ist ruhig geworden um das sogenannte "Ulrichsbergtreffen", einst die größte jährlich abgehaltene rechtsextreme Veranstaltung Österreichs. Jahrzehntelang waren bei der "Heimkehrergedenkstätte" auf der Anhöhe bei Klagenfurt am ersten Oktoberwochenende Veteranen der nazideutschen Streitkräfte und verbündeter Armeen zusammengetroffen, um dort – im Schatten von Gedenktafeln, die nach Rechtsmeinung des DÖW zum Teil gegen das Abzeichengesetz verstoßen (siehe Sachverhaltsdarstellung, 23. 6. 2016) – ihrer toten Kameraden zu gedenken, dies regelmäßig auch im Beisein von Neonazis und Prominenz aus den drei großen politischen Lagern. Nachdem das österreichische Bundesheer der Veranstaltung 2009 die logistische Unterstützung entzogen hatte, verlor sie rasch an Bedeutung – wurde in manchen Jahren abgesagt (zuletzt 2018), in anderen verlegt, wobei sich der Herzogstuhl am Zollfeld als neue Hauptfeierstätte etablierte (das DÖW berichtete zuletzt 2016 [Link: https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/oktober-2016/alte-und-junge-ss-nostalgiker-in-kaernten]). Die Teilnehmerzahlen sanken in diesem Zeitraum von mehreren tausend in den niedrigen dreistelligen Bereich. Wiederholt statteten allerdings private (Neonazi-)Reisegruppen der Gedenkstätte einen Besuch ab.
Dass die Anziehungskraft von Berg und Gedenkstätte auf neonazistische Kreise weiterhin ungebrochen ist, wurde Anfang Oktober 2019 offenkundig. Am Wochenende des 5. und 6. Oktober fanden – auch vor dem Hintergrund des 60-jährigen Jubiläums der Gedenkstättenerrichtung – neben der offiziellen Feier der Ulrichsberggemeinschaft (UBG, wieder am Zollfeld) gleich mehrere Veranstaltungen statt, die maßgeblich von neonazistischen Aktivisten aus Deutschland getragen wurden. Diese reaktivierten den traditionellen "Kameradschaftsabend" im Krumpendorfer Hotel Rosenheim am Freitag und organisierten am Samstag eine Wanderung zur Gedenkstätte mit dortiger Feier sowie im Anschluss daran eine Schifffahrt auf dem Wörthersee. Zumindest an den beiden letztgenannten Programmpunkten beteiligten sich, wie durch Fotos belegt ist (eine Auswahl findet sich hier: presse-service.at/2019/10/06/rechtsextremes-ulrichsbergtreffen-06-10-2019]), auch – mutmaßlich österreichische – Korporierte.
Ausführliche Berichte über das Wochenende finden sich in zwei einschlägigen deutschen Medien. Der erste stammt aus Vergißmeinnicht, dem Periodikum der gleichnahmigen "revisionistischen"/revanchistischen Gedenkinitiative von Jürgen Hösl-Daum aus Zwittau (Sachsen). Diese hatte schon Monate zuvor eine Einladung für die "Gedenkwanderung" und die Wörthersee-Schifffahrt verschickt, wobei man selbst die Anmeldungen entgegennahm und auch von "unserer Gedenkwanderung" sprach. Im Bericht dagegen beschränkt man sich auf die Mitteilung, dass "Mitstreiter" auf den Berg gewandert seien und dort "zahlreiche deutsche Lieder zum Besten" gegeben hätten. Im Einladungsschreiben ereiferte man sich über "Systemlinge" und zeigte sich stolz darauf, dass die deutsche Bundesregierung "mit Entsetzen auf unsere Arbeit [sieht]". Nachdem Vergißmeinnicht schon 2018 zum selbst erteilten "Pflegeeinsatz" an der Gedenkstätte ausgerückt und dabei polizeilich perlustriert worden war, war man 2019 nach eigenen Angaben zentral in die Logistik des Gedenkens am Zollfeld involviert – von der Festplatzgestaltung einschließlich Blumenschmuck über die Verpflegung bis hin zu den Aufräumarbeiten. Auf Schautafeln zeigte Hösls Initiative zudem – wie auch an der Gedenkstätte und auf der Schifffahrt – eine Ausstellung über 60 Jahre Ulrichsberggemeinschaft. Dieser – als der traditionellen Ausrichterin der Feier – hat Vergißmeinnicht nach eigenen Angaben eine "großzügige Spende" zukommen lassen, "damit der Verein nicht an den Zitzen der Politik hängt und durch Politiker und Konsorten erpreßbar gemacht wird und einknickt". Nach Darstellung Hösls wurden im Anschluss an die Feier am Zollfeld die dort abgelegten Kränze von UBG und Vergißmeinnicht zur Gedenkstätte verbracht, wo der UBG-Vorsitzende (Hermann Kandussi) eine Rede gehalten und die "Gesteckablage" koordiniert habe. Angesichts dieser umfassenden Kooperation scheint nur konsequent, dass die Feier diesmal als "geschlossene Veranstaltung" angemeldet war – und man sich diesen Umstand zunutze machte, um kritische Beobachter*innen, nicht aber Neonazis polizeilich wegweisen zu lassen.
Der zweite Bericht über das Ulrichsberg-Wochenende stammt aus N.S. Heute (Nr. 18), jener Zeitschrift, die 2019 auch ein zweiteiliges Interview mit Gottfried Küssel publizierte (siehe: Küssels Erinnerungen. Der Artikel führt Kärnten milieugemäß als "Grenzland des deutschen Reiches" und "ostmärkischen Alpengau" ein und ist aus der Sicht einer "kleinen Reisegruppe [...] aus dem Norden des Reiches" verfasst. Inhaltlich legt er den Schwerpunkt auf die Gedenkwanderung, wobei als "Veranstalter des Gedenkens" ein Nils L. angeführt wird. Dabei handelt es sich mutmaßlich um den Leipziger Neonazi Nils Larisch, der 2010 für die NPD-Zeitung Deutsche Stimme vom Ulrichsberg berichtete und im März 2019 zur Beobachtung des Prozesses gegen den Holocaustleugner Wolfgang Fröhlich nach Österreich reiste www.stopptdierechten.at/2019/03/08/von-der-haft-retour-in-die-braune-gemeinschaft).
Dem Ulrichsberg-Bericht in N.S. Heute zufolge hielt Nils L. an der Gedenkstätte eine Begrüßungsrede, während ein Ralf P. von der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger einen Kranz abgelegt habe. Im Anschluss wurde am Soldatenfriedhof St. Ruprecht in Völkermarkt (Velikovec) ein weiteres Totengedenken abgehalten. Dort war auch der in Klagenfurt wohnhafte Waffen-SS-Veteran Herbert Bellschan von Mildenburg anwesend, der – so der Bericht – "bis in die heutige Zeit bei seinen Überzeugungen geblieben" sei und sich "selbst mit seinen weit über 90 Jahren noch aktiv für unsere Sache" engagiere. Dem Bericht zufolge fand der freitägliche "Kameradschaftsabend" in Krumpendorf am Samstag eine Wiederholung, wobei "den ganzen Abend Volks- und Soldatenlieder" intoniert worden seien und man "rege diskutiert, gedacht, gelacht und gescherzt" habe. Das Ulrichsbergtreffen soll laut Nils L. weitergeführt werden, wobei ein "Generationenwechsel" in der Organisation anstehe.
Auch Jürgen Hösl lud in Vergißmeinnicht bereits zur nächsten Auflage der Feier, die am ersten Oktoberwochenende 2020 stattfinden soll, und zeigte sich erfreut, dass man inzwischen nicht nur in Dresden (13. Februar) "den deutschen Opfern ein würdevolles Gedenken ohne Geschichtsfälschungen und Selbstschuldbezichtigungen ermöglichen" könne, sondern "nun im selben Sinne auch in Kärnten öffentlichkeitswirksam deutscher Opfer" gedacht werde.
Auch in der österreichischen rechtsextremen Publizistik fanden die jüngsten Ulrichsberg-Veranstaltungen Resonanz. Das Periodikum der rechtsextremen österreichischen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP) wies auf die "Gedenkwanderung" hin, der Eckart der Österreichischen Landsmannschaft berichtete in seiner Novemberausgabe, wobei man nicht verabsäumte, die "Handvoll junger Idealisten" zu würdigen, die neben den alten Veteranen die Ulrichsberg-Tradition am Leben hielten.