Nachdem sich in den Wochen des "Lockdowns" rechtsextreme Agitation notgedrungen auf den Online-Bereich beschränkt hatte (vgl. dazu Teil I und Teil II dieser Serie), drängt die Szene im Zuge der Lockerung der Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung wieder vermehrt auf die Straße.
In Wien fanden seit Ende April zumindest drei Kundgebungen statt, die sich vorderhand gegen die Regierungsmaßnahmen und damit verbundene Grundrechtseinschränkungen richteten. Während Rechtsextreme nicht als OrganisatorInnen dieser Veranstaltungen in Erscheinung traten, waren sie doch Teil ihres heterogenen Publikums (das u. a. auch ImpfgegnerInnen und VerschwörungsphantastInnen einschloss) und hatten teilweise auch aktiv zur Teilnahme aufgerufen.
Den Auftakt bildete eine behördlich untersagte Kundgebung am Helmut-Zilk-Platz (bei der Albertina) am 24. April mit rund 200 TeilnehmerInnen, im Zuge derer antisemitische und NS-relativierende Äußerungen getätigt bzw. auch skandiert wurden (siehe: www.derstandard.at/story/2000117120131/mit-aluhut-gegen-corona-und-die-regierung). Tags darauf fanden einige Dutzend Personen sich zu einer Protestversammlung am Donaukanal ein.
Am 1. Mai versammelten sich mehrere Hundert Personen am Ballhausplatz, darunter Neonazi-Kader, Burschenschafter und Aktivisten der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Das am Ballhausplatz gelegene Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz wurde im Zuge dieser Veranstaltung mit Parolen beschmiert.
Am selben Tag fand in Klagenfurt ein Auto-Corso nach dem Vorbild US-amerikanischer Corona-Proteste statt, an dem nach Polizeiangaben über 100 Fahrzeuge beteiligt waren. Zu der Aktion aufgerufen hatte der ehemalige Kärntner Landtagsabgeordnete Martin Rutter, der zuletzt 2019 als Spitzenkandidat des BZÖ Kärnten für die Nationalratswahlen in Erscheinung getreten war. Rutter hatte bereits 2017 durch verschwörungsphantastische YouTube-Videos, eine Rede am Rande des Ulrichsbergtreffens und einen Gastbeitrag in der rechtsextremen Zeitschrift Aula von sich reden gemacht. Im Nachgang des Auto-Corsos vom 1. Mai kündigt Rutter bereits weitere Aktionen an und wirbt auf sozialen Medien um Mitstreiter, u. a. auf dem Messenger-Dienst Telegram, über den sich – nach deutschem Vorbild – auch andere selbsternannte "Corona-Rebellen" organisieren.
Unter den TeilnehmerInnen sowohl der Kundgebung bei der Albertina als auch jener am Ballhausplatz fand sich auch Martin Sellner, Anführer der oben erwähnten IBÖ. In einem Video-Blog vom 23. April zeigte dieser sich über die Auswirkungen der Pandemie erfreut: für seine Gesinnungsgemeinschaft sei die Lage "besser denn je. Viele Leute werden aufwachen, viele Leute werden leiden unter diesen Zuständen." Den daraus erwachsenden Zorn will Sellner sich zunutze machen. Dazu müsse man nun überall im Land "patriotische Widerstandsnester" aufbauen.
Ein weiteres Motiv, das in Sellners Videobeitrag aufgegriffen wurde, ist der vermeintliche Zusammenhang der Lockerung von Corona-Eindämmungsmaßnahmen mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan. Die Plattform unzensuriert.at witterte gar eine "Christendiskriminierung". In ähnlicher Weise argumentierten verschiedene führende Protagonisten der FPÖ, darunter Herbert Kickl – in diesem Fall im Einklang mit seinem ehemaligen Parteiobmann Heinz-Christian Strache.
Die FPÖ zeigt sich aktuell bestrebt, dem Unmut in Teilen der Bevölkerung über die Covid-19-bedingten Regierungsmaßnahmen auch eine parteipolitische Plattform zu bieten. Sie hat sich dem Kampf gegen einen vermeintlichen "Corona-Wahnsinn" verschrieben und fordert, im Einklang mit den DemonstrantInnen von Wien und Klagenfurt, per Petition die umgehende Rückkehr zur "alten Normalität". Parallel dazu wird auch in Bezug auf die Covid-19-Pandemie das freiheitliche Kerngeschäft der Ethnisierung des Sozialen betrieben. So meint der Wiener Landesobmann Dominik Nepp in einer Presseaussendung vom 4. Mai unter Verweis auf unter Asylwerbern aufgetretene Krankheitsfälle, man müsse "zum jetzigen Zeitpunkt in der Bundeshauptstadt fast schon von einem Asylantenvirus sprechen".