Hatte Andreas Mölzers Wochenzeitung ZurZeit schon im Zuge der Corona-Pandemie zunehmend Anzeichen eines galoppierenden Realitätsverlustes gezeigt (siehe: ZurZeit: "Corona-Wahnsinn" von rechtsaußen), scheint der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen die entsprechenden Tendenzen noch zu verfestigen.
Am 7. November hatten alle maßgeblichen US-Medien, einschließlich des Trump-affinen Senders FOX News, übereinstimmend erklärt, dass der demokratische Kandidat Joseph Biden in der Stimmenauszählung uneinholbar voran liege. Für ZurZeit (46/2000) scheint ebendies dagegen nach wie vor mehr als fraglich. So ortet Kommentator Johannes Hübner, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der FPÖ, "schwerwiegend[e]" Indizien für "Wahlbetrug" – hält aber gleichzeitig fest, dass die "traditionellen Strippenzieher der US-Politik" dem jeweiligen Präsidenten, ungeachtet seiner Parteienzugehörigkeit, ohnehin außenpolitisch "keinen Spielraum" lassen würden (S. 28). Biden "soll" gewonnen haben, schreibt Bernhard Tomaschitz (S. 29). Von "vermutete[m] Wahlbetrug" bzw. Indizien für "umfassenden, organisierten Wahlbetrug" weiß Gert Bachmann zu berichten (S. 37). Unter Beweis stellt Bachmann – wie Trump selbst – jedoch nur die eigenen Probleme, den Vorgang der Auszählung von Briefwahlstimmen kognitiv nachzuvollziehen ("Trump führte in Michigan, Wisconsin, Pennsylvania und Georgia. Dann wurde die Auszählung über Stunden angehalten und die notwendigen Briefwahlstimmen tauchten plötzlich auf", S. 37).
Als US-amerikanischer Kronzeuge der eigenen Verschwörungsphantasien bietet ZurZeit einmal mehr (siehe: ZurZeit: (k)ein Rassismus weit und breit) Paul Craig Roberts auf. Der als Vizefinanzminister unter Ronald Reagan vorgestellte Roberts bezeichnete den Holocaustleugner David Irving 2019 als "without any doubt the best historian of the European part of World War II", nannte die NS-Vernichtungslager "work camps" und zog in Zweifel, dass es einen "organized holocaust by gas and cremation of Jews" gegeben habe.
Erwiesen ist für ihn dagegen, dass "[d]ie Demokraten [...] die Präsidentenwahl gestohlen [haben]". Es habe "massive[r] Betrug" stattgefunden, den die "parteiischen Medien" leugnen würden. Als vertrauenswürdige Quelle propagiert Roberts in ZurZeit demgegenüber die antisemitische Desinformationsplattform von Ron Unz – konkret einen dort erschienenen Artikel, unter dem sich zahlreiche antisemitische Postings finden (S. 32). Als Motiv hinter dem angeblichen Wahlbetrug vermutet Roberts die Absicht, "eine Revolution gegen das republikanische weiße Amerika zu bewirken". Der "Hass gegen die Weißen" sei es auch, der in den USA "die nationale Einheit zerstört" habe. (S. 33) Auch ein Verweis auf die Macht der "Israel-Lobby" darf nicht fehlen. Dem gewählten Präsidenten Joe Biden attestiert Roberts eine "offensichtliche geistige Verwirrung" (S. 34), während er selbst wiederholt affirmativ auf den deutschen Verschwörungsmystiker Udo Ulfkotte verweist. Von einer Regierung der Demokraten erwartet er, dass "die Umwandlung der weißen Amerikaner in Bürger zweiter oder dritter Klasse abgeschlossen" wird. Der Ansicht, dass "die Linken die Weißen zu Bürgern zweiter oder gar dritter Klasse machen" wollen, schließt sich auch ZurZeit in Form einer Bildunterschrift an (S. 35).