Die Täter-Opfer-Umkehr hat im Rechtsextremismus System, sie zählt zu dessen definitorischem Kern. Nun machen Freiheitliche sich neuerlich zu Opfern einer "Schmutzkampagne", hinter welcher der (ehemalige) israelische SPÖ-Berater Tal Silberstein stehe.
In der aktuellen Ausgabe des freiheitlichen Wochenblattes Zur Zeit wird Silberstein, von Martin Pfeiffer als "dubiose Figur aus dem Morgenland" markiert, zum Kopf einer "Strategie" gemacht, welche nach Herausgeber Andreas Mölzer in bloßem "Vernadern und Denunzieren" bestehe (Zur Zeit 40/2017, S. 14). Den Skandal um die antisemitische Äußerung des damaligen FPÖ-NAbg. Johannes Hübner (siehe: Freiheitlicher Antisemitismus) deutet Mölzer zu einer "Kampagne", die "zweifellos strategisch in den Silbersteinschen Sudelküchen geplant" worden sei (ebenda). Untermauert wird diese ebenso apodiktische wie falsche Behauptung (aufgedeckt wurde die Causa vom DÖW) ein paar Seiten davor: "Jedenfalls trennten sich die Genossen erst im Juli, nachdem Hübner seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Nationalrat bekannt gegeben hatte, von Silberstein [...]." (Ebenda, S. 6) In einer längeren Version dieser kruden Beweisführung heißt es auf der Zur Zeit-Homepage weiter: "Zu diesem Zeitpunkt war ein Ziel des roten ‚Dirty campaignings’, nämlich die Freiheitlichen anzupatzen, längst erreicht." Ebenfalls nicht in die Druckausgabe geschafft hat es die Forderung nach einer Rehabilitation Hübners: "Nachdem jetzt immer mehr Vorwürfe im Hinblick auf die SPÖ und ihren ehemaligen Berater Silberstein bekannt werden, ist es höchst an der Zeit, Hübner zu rehabilitieren."
Schon Anfang August fragte sich Mölzer, "ob die FPÖ als einzige Alternative zum etablierten politischen System im selben auf so eine Art und Weise wehrlos ausgeliefert ist, dass jeder Spitzenmann mit hanebüchenen Vorwürfen herausgeschossen werden kann. Ist die Entschlossenheit der Partei, sich niemanden herausschießen zu lassen, groß genug?" (Zur Zeit 31/2017, S. 4) Es gibt dem Freiheitlichen "zu denken", dass es den "Spindoktoren von Rot und Schwarz [...] problemlos möglich ist, jeden exponierten Freiheitlichen auf diese Art und Weise zu erledigen". (Ebenda)
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sieht den unterlegenen Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer als Opfer einer "Facebook-Sudelkampagne" in Form der Seite Wir unterstützen Norbert Hofer: "Es würde ins Bild passen, dass sich die Linkslinken bereits damals einer Fake-Facebook-Seite bedient haben, um den ihnen nicht genehmen Kandidaten ordentlich anzupatzen. Das Strickmuster ist jedenfalls dasselbe. Eine angebliche Unterstützungsseite dient in Wahrheit Zwecken des Negativ-Campaignings", so Kickl (APA-OTS, 3. 10. 2017). Die angesprochenen fake-Seiten Wir für Sebastian Kurz und Die Wahrheit über Sebastian Kurz machten diesem u. a. ein behauptetes Naheverhältnis zu George Soros zum Vorwurf. In der allgemeinen (berechtigten) Aufregung über diese Instrumentalisierung von Antisemitismus ging fast unter, wo dieser Verschwörungsmythos seinen Ausgang nahm: Unter dem Titel "Das andere Gesicht des Sebastian Kurz" startete alles roger? (siehe: alles roger? mit Antisemitismus) bereits Anfang April dieses Jahres die antisemitische Kampagne. Rasch verbreitete sie sich in den rechtsextremen Online-Netzwerken, auch Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus verbreiteten auf facebook einschlägige Hetzartikel.
Wie sehr die antisemitische Figur des (jüdischen) "Spekulanten", der hinter der Umvolkung stehe, auch von Führungskadern der FPÖ geteilt wird, zeigt sich auch in der aktuellen Ausgabe von alles roger?. Hofer und Strache wurden dort im Doppelinterview gefragt: "Was sagen Sie zu den Verbindungen zwischen Kurz und Soros? Er ist Lenker der Masseneinwanderung und Förderer von Kurz." Hofers Antwort, die keinen Widerspruch Straches provozierte: "Soros steuert mit Sicherheit einiges auf der Welt, auch die Flüchtlingsströme. Das weiß man. [...] Auch Kurz war gerade bei Henry Kissinger, auch hier sind gute Verbindungslinien zu Soros." (alles roger? 27/2017, S. 10)