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Ina Markova: Geschichtsklitterungen - Zäsuren - Neuverhandlungen

Visuelle und sprachliche Strategien der Repräsentation der österreichischen Vergangenheit 1934 - 1938 - 1945 - 1955 in Geschichtsschulbüchern

 

Diplomarbeit Universität Wien (Abstract)

 

Diese Arbeit wurde mit dem Herbert-Steiner-Anerkennungspreis 2011 ausgezeichnet.

 

 

Diese Diplomarbeit folgt einem historisch-politisch orientierten Gedächtnisbegriff. Das "kollektive Gedächtnis" wird von einer Perspektive heraus betrachtet, die nach den einem jeweiligen Vergangenheitsentwurf einer Gemeinschaft zugrunde liegenden Machtressourcen und politisch-historischen Intentionen fragt. Zentrale Erkenntnis ist, dass Vergangenheit als Rekonstruktion im Dienste der Gegenwart und Zukunft einer Gemeinschaft gefasst werden muss. Daraus ergibt sich folgende Frage: Welche Vergangenheit gibt sich ein Kollektiv, welcher Vergangenheitsentwurf über den Nationalsozialismus und über die Involvierung in NS-Verbrechen ist wirksam, wie, wann und warum lassen sich Transformationen feststellen?

 

Im theoretisch-methodischen Teil wird die österreichische Gedächtnislandschaft nach 1945 beschrieben und die Erinnerungsleistung von Bildern beleuchtet. Die wissenschaftliche Hinwendung zum Visuellen führt hier zwingend zu einer Analyse der Zusammenhänge zwischen Bildern, Diskursen, Macht und Wissen. Während in methodischer Hinsicht für eine Synthese der Untersuchung von Bild und Text im Rahmen einer Bild-Diskurs-Analyse optiert wurde, wird im theoretischen Teil das Medium Bild genauer untersucht und am Beispiel der westdeutschen "Visiographie des Verbrechens" aufgezeigt, wie Transformationen der bildlichen Vergangenheitsdeutungsangebote deskriptiv gefasst werden können. Ebenso wird ein Überblick über den nationalen Charakter schulischer Bildung gegeben, das Medium Schulbuch als Faktor und Produkt gesellschaftlicher Prozesse skizziert und ein kurzer Einblick über die österreichische Bildungspolitik gegeben.

 

Im empirischen Teil wurden österreichische Schulbücher in diachroner Weise hinsichtlich des sich in ihnen manifestierenden Geschichtsbilds untersucht. Als zentrale Zäsur der österreichischen Erinnerung können im gesamtgesellschaftlichen Rahmen die Waldheim- Affäre 1986 und auf curricularer Ebene die neuen AHS/HS-Lehrpläne von 1989/85 festgestellt werden. Das nationale Narrativ über die österreichische Vergangenheit kann lange Zeit als stabiler, monolithischer Block gefasst werden. Als zentraler narrativer Baustein kann die österreichische "Opferthese" benannt werden, wobei diese zu einer Exterritorialisierung der NS-Zeit aus der österreichischen Geschichte, der Nicht-Behandlung des Holocaust und anderer NS-Verbrechen, einem Fokus auf den positiv-identitätsstiftenden Mythos "Wiederaufbau" und einer Geschichtsdarstellung führte, die Österreich nicht nur als Opfer der NS-Aggressionen, sondern auch der Besatzungszeit darstellt. Zentral für dieses Geschichtsbild ist die visuelle Ikone der Unterzeichnung des Staatsvertrags. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bekam dieses "geschichtsmächtige Bild" Konkurrenz von seinem Gegenpart, der kritischen Ikone der potenziellen Mitverantwortung an NS-Verbrechen: dabei handelt es sich um das Bild der jubelnden Wiener Bevölkerung während Hitlers Heldenplatzansprache. Es kann von einer "partiellen Erosion" der Opferthese, einer "Kultur des Einräumens" von Schuld gesprochen werden: Ab etwa 1986 bis heute gestalten sich österreichische Erinnerungen an Nationalsozialismus, Holocaust und Zweitem Weltkrieg als ein Produkt von Positionierungen innerhalb eines Koordinatensystems zwischen den beiden Achsen "Mitverantwortung" und "Opferthese". Während der Holocaust ausführlich behandelt wird, kann keine letztgültig ausverhandelte Darstellungsweise des österreichischen Anteils an Genozid und Vernichtungskrieg festgestellt werden: Mitverantwortung muss benannt, aber nicht ausführlich behandelt werden; kritische Darstellungen der Vergangenheit - und dies ist als zentrales Ergebnis der Vergangenheitsneuverhandlungen hervorzuheben - bewegen sich allerdings eindeutig innerhalb des erlaubten Felds des Darstellbaren.

 

 

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