Masterarbeit, Universität Wien (Abstract)
Diese Arbeit wurde mit dem Herbert-Steiner-Anerkennungspreis 2015 ausgezeichnet.
Das Thema der Studie sind Fotografien der Lager-SS des Konzentrationslagers Mauthausen, die zwischen 1941 und 1944 entstanden sind. Dabei handelt es sich um Bilder, die von SS-Angehörigen des sogenannten Erkennungsdienstes aufgenommen wurden. Die Prämisse der Arbeit ist, dass die Fotos nicht die Lagerrealität widerspiegeln, sondern das Konzentrationslager (KL) aus Sicht der Lager-SS visualisieren. Das Ziel der Untersuchung ist, die Fotografien in ihrem Entstehungskontext zu analysieren und dabei auf die Vor- und Nachgeschichte der Aufnahmen einzugehen. Die Fotos der Lager-SS müssen in ihrem visuellgeschichtlichen Kontext verstanden werden, Kontinuitäten und Brüche der Fotografiegeschichte als Vorbedingungen der Erkennungsdienstfotos sind zu berücksichtigen.
Fragen nach den Auftraggebern, den Fotografen sowie den Verwendungszwecken ermöglichen, die Funktionen der unterschiedlichen Aufnahmen zu rekonstruieren. Die Bilder sollten etwa die Identifikation von Deportierten nach erkennungsdienstlichen Kategorisierungen ermöglichen, das KL als produktiven Wirtschaftsbetrieb darstellen, "Regimefeinde" dokumentieren und Verbrechen im Lager vertuschen, indem Morde als Fluchtversuche getarnt wurden. Andere Fotos waren private Erinnerungsaufnahmen, wie ein Fotoalbum eines SS-Mannes beweist. Im Erkennungsdienst mussten Häftlinge arbeiten, sie waren für die Entwicklung und Archivierung der Bilder verantwortlich. Darunter waren spanische Deportierte, die systematisch Fotos versteckten; nur so konnten diese Aufnahmen gerettet werden. Die Provenienzgeschichte der Bilder ist somit eine Geschichte des Widerstandes.
Eine Analyse der Fotos erfordert eine Kategorisierung der Aufnahmen in Gruppen. In der vorliegenden Studie wird dies anhand von fünf Motivgruppen durchgeführt: "Häftlinge", "Konzentrationslager", "Gewalt und Tod", "Veranstaltungen der SS" und "Private Motive". Ausgehend von dem Abgebildeten werden Rückschlüsse auf die Hintergründe der Aufnahmen gezogen und diese unter Berücksichtigung anderer Quellen und Forschungsergebnisse analysiert.
Abschließend wird die Nachgeschichte der Fotografien anhand der Biografie des spanischen Deportierten Francisco Boix dargestellt. Boix war maßgeblich an der Rettung der Fotos beteiligt, nach der Befreiung war er im Besitz eines Großteils der Bilder. Insbesondere seine Aussagen im Zuge von Nachkriegsprozessen stellen wichtige ergänzende Quellen zur Geschichte der Fotos dar. Die Studie endet im Jahr 1951 mit dem Tod von Boix, der eine Zäsur in der Geschichte der Aufnahmen darstellt, da ab diesem Zeitpunkt der Großteil der Fotografien unter Überlebenden aufgeteilt wurde.
Lukas Meissel, BA, Historiker, Mitarbeiter des Archivs der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Guide des Mauthausen Komitees Österreich und des Vereins GEDENKDIENST
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