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Name russisch: Дойч (Дейч) Густав Юлиусович
Geboren: 04.02.1906, Zürich
Beruf: Bauingenieur
Letzter Wohnort in Österreich: Wien
Ankunft in Russland/Sowjetunion: 12.04.1934
Wohnorte in der Sowjetunion: Voronež, Elec
Verhaftet: 21.10.1937, Voronež
Anklage: Spionage, Mitarbeit in einer Terrororganisation
Urteil: 14.06.1938, Militärkollegium des Obersten Gerichts, Tod durch Erschießen
Gestorben: 14.06.1938, Moskau
Rehabilitiert: 17.03.1956, Militärkollegium des Obersten Gerichts
Emigrationsmotiv: Schutzbund-Emigration
Schicksal: erschossen
Gustav Deutsch wurde 1906 in Zürich geboren, wo sein Vater Julius Deutsch, der spätere Obmann des Republikanischen Schutzbundes, damals studierte. Gustav Deutsch absolvierte in Wien die Mittelschule und anschließend ein Hochschulstudium, das er 1930 als Bauingenieur beendete. In der Folge arbeitete er in Frankreich als Bauingenieur. Dort lernte er auch seine aus Oberösterreich stammende Frau Agnes (geb. Reitermeyer) kennen. Das Ehepaar Deutsch kehrte 1932 nach Österreich zurück.
Gustav Deutsch war Mitglied der SAJ ab 1921, der SDAP ab 1925 und der KPÖ ab 1935. 1924 war er Obmann der sozialistischen Mittelschüler. Nach seiner Rückkehr nach Österreich war er zeitweilig als Gehilfe von Major Alexander Eifler in der Wiener technischen Leitung des Schutzbundes tätig. Von 1932 bis 1934 war er politisch nicht aktiv. Im Februar 1934 kam seine Schutzbundgruppe nicht zum Einsatz. Gustav Deutsch flüchtete nach Prag, um der Verhaftung zu entgehen, und reichte einen Einreiseantrag für die Sowjetunion ein. Gustav und Agnes Deutsch waren unter den ersten Schutzbundemigranten in der Sowjetunion. Gustav Deutsch leitete als Ingenieur einen Bautrupp beim Eisenbahnbau bei Voronež, später in Elec, ebenfalls im Südwesten Russlands.
Seine Verhaftung am 21. Oktober 1937 - auf einer Dienstreise nach Voronež - hing vermutlich mit den Ermittlungen gegen führende Funktionäre der Komintern zusammen und stand in Verbindung mit dem geplanten vierten Schauprozess, der nie stattfand. Bereits beim ersten Verhör in Voronež wurden Gustav Deutsch sämtliche Zähne ausgeschlagen. Er wurde beschuldigt, Sand in die Achsenlager von Lokomotiven gestreut zu haben. Er wurde dann nach Moskau verlegt, wo ihm ein neues Gebiss gemacht wurde - das beim nächsten Verhör wieder zerschlagen wurde (worüber Lev Razgon in seinen Gulag-Memoiren Непридуманное berichtet). In der Anklageschrift wurde Gustav Deutsch beschuldigt, dass er im Auftrag des "trotzkistischen Zentrums" in die Sowjetunion geschickt wurde, um Agenten unter ausländischen Facharbeitern anzuwerben und terroristische Akte gegen die Sowjetregierung durchzuführen. Zu seinem "Agentenkreis" sollen die Brüder Ernst und Otto Fischer, Oskar Grossmann (Großmann), der Ernst Fischers Vorgänger als KPÖ-Vertreter beim EKKI war, sowie Béla Kun gehört haben. Seine Frau Agnes Deutsch soll ihre Reisen in der Sowjetunion im Zusammenhang mit ihrem Buch Schutzbündler in der Sowjetunion (1937 in Strasbourg/Straßburg erschienen) auch dazu benützt haben, um Agenten zu rekrutieren. Am 14. Juni 1938 wurde Gustav Deutsch zum Tode verurteilt und am gleichen Tag erschossen. Seinem Vater, der zur Zeit der Verhaftung seines Sohnes General der republikanischen Truppen in Spanien war, wurde 1955 offiziell mitgeteilt, dass Gustav Deutsch 1943 gestorben sei.
Auf dem Transport an die Kolyma traf Agnes Deutsch den aus Ödenburg stammenden Alexander Stöckler, der Ruth von Mayenburg, der Frau von Ernst Fischer, eine Mitteilung über die Anklage gegen das Ehepaar Deutsch zukommen lassen konnte. Außerdem gelang es Agnes Deutsch von der Kolyma aus, der Frau von Otto Fischer zwei Briefe und ein Ansuchen an den Obersten Sowjet vom 30.07.1939 zu schicken. Vorher hatte Ernst Fischer ein Brief von Gustav Deutsch aus der Haft erreicht - er und Agnes Deutsch waren inzwischen nach Moskau verlegt worden. Die offizielle Intervention der KPÖ (Politbüro-Beschluss, 16.01.1940) zugunsten des Ehepaars Deutsch (der einzige Fall in Bezug auf Schutzbündler) wurde 1940 vom Staatsanwalt zurückgewiesen: Gustav und Agnes Deutsch seien zu Recht verurteilt worden.
1947 richtete Julius Deutsch eine Anfrage an die aus der UdSSR zurückgekehrte Leopoldine Münichreiter, die Witwe des im Februar 1934 hingerichteten Karl Münichreiter, ob sie in der UdSSR auf Agnes Deutsch gestoßen sei. Er war damals offenkundig davon ausgegangen, dass sein Sohn nicht mehr am Leben war.
Quelle: Parteiarchiv der KPÖ, RGASPI, lists.memo.ru, DÖW
Siehe auch Leopold Spira, Agnes und Gustav Deutsch, in: Memorial. Österreichische Stalin-Opfer, Wien 1990, S. 63-67.