Nach einer etwas längeren Schrecksekunde distanzieren sich die Verantwortlichen in der Ausgabe 25/99 (18.-24. Juni) von Gamlichs Gaskammer- und Kriegsschuldleugnung: Durch ein "redaktionelles Versehen" sei es "zum ungeprüften Abdruck" dieses Artikels gekommen. Dem nicht genug, erfolgte "irrtümlich im Zuge der umbruchsbedingten Kürzungen durch Hilfskräfte noch zusätzlich eine Verstümmelung". Herausgeber und Redaktion distanzieren sich "auf das Schärfste" von "allfälligen Passagen", die gegen das Wiederbetätigungsverbot verstoßen könnten. Durch eine "Berichtigung" soll schließlich der Schaden, den die "Hilfskräfte" angerichtet haben, behoben werden. Die nun nachgereichten, "irrtümlich" den "Kürzungen" zum Opfer gefallenen Passagen vermögen jedoch nicht, dem Artikel einen unbedenklichen Charakter zu verleihen.
Auch Gamlich selbst geht auf Distanz zur "verstümmelten" Version seines Artikels: In einem Schreiben an Zur Zeit, welches auch an das DÖW und die APA erging, befürchtet er, daß sein "Artikel im Sinne des Verbotsgesetzes mißverstanden worden sein" könnte. Gamlich macht dafür neben "redaktionellen Unzulänglichkeiten" seine eigene "publizistische Unerfahrenheit" und "mangelnde journalistische Routine" verantwortlich. Wie die gesamte Zur Zeit-Mannschaft betont auch Gamlich, daß es ihm "fernliegt, die unleugbaren Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen". Schließlich droht er, mit allen ihm "zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Herausgeber und die Redaktion vorzugehen", falls aus deren "Fehler" seiner "Person irgendwelche Schäden, insbesondere eine Rufschädigung erwachsen".
Gamlichs Artikel kommt formal als Besprechung des 1998 im einschlägigen Grazer Leopold Stocker Verlag erschienenen Buches "Das Ende der Tabus" von Rudolf "Graf" Czernin daher. Im Unterschied zu Gamlich beschränkt sich der Autor dort auf das Referieren neonazistischer und rechtsextremer Geschichtsfälscher, ohne ihre Positionen derart explizit oder offensiv zu vertreten. Im Falle der "Gaskammern-Leugner" betont Czernin, daß er deren "Auffassungen nicht teilt" (S. 192). Dieses Werk, welches im Untertitel einen "Aufbruch in der Zeitgeschichte" postuliert, wurde unlängst in der Redaktion von Zur Zeit vorgestellt. Unter den Zuhörern befand sich der Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder (FPÖ). Auch Karl Steinhauser soll laut Zur Zeit den Weg zur Czernin-Buchpräsentation gefunden haben. Der wüste Verschwörungstheoretiker Steinhauser machte erst vor kurzem von sich reden, als er in seinen Secret News das Buch "Die 'Protokolle' der Weisen von Zion aus der Sicht nach 100 Jahren" bewarb und zum Verkauf anbot. Zu diesem antisemitischen Machwerk heißt es dort: "Vor 100 Jahren bereits programmiert: Die jüdische Weltherrschaft! [...] Noch nie hat jemand die wahren Hintergründe des Weltjudentums dermaßen schonungslos aufgedeckt wie der Autor dieses sensationellen Tatsachenberichtes!" Angesichts der drohenden strafrechtlichen Folgen dieser vermeintlichen Enthüllungen garantiert Secret News den Interessenten den Erhalt der Hetzschrift "auch im Falle einer möglichen Beschlagnahme". Simon Wiesenthal hat bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige erstattet.
Zur Zeit-Chefredakteur Andreas Mölzer läßt in der aktuellen Ausgabe übrigens seinen Rücktritt verkünden, als Grund wird "zeitliche Belastung im Rahmen seiner neuen Beratertätigkeit für die Kulturabteilung der Kärntner Landesregierung und den Kärntner Landeshauptmann" angeführt. Als Nachfolger wird Helmut Müller, "Schriftleiter" des rechtsextremen Eckartboten und bei Zur Zeit zuvor bereits leitender Redakteur, genannt. Der "inhaltlichen Verantwortung" nun entbunden, bleibt Mölzer seinem Wochenblatt jedoch als Herausgeber erhalten. Dabei wird er in Zukunft vom FPÖ-Bundesrat John Gudenus und Johann Josef Dengler unterstützt. Zumindest Gudenus hat auch schon Erfahrungen mit allzu bezeichnenden Aussagen über die NS-Vernichtungspolitik gemacht. Im Herbst 1995 fiel ihm bei einer Podiumsdiskussion zu den Gaskammern ein: "Ich halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist."